Marktgesetzte werden außer Kraft gesetzt

Themen des Tages: Silber/Gold-Ratio als Warnsignal für den Aktienmarkt? +++ Gewinneraktien in DAX, TecDAX und MDAX

 

Es ist schon wirklich erstaunlich: Obwohl wir in Italien noch immer keine stabile Regierung haben, in Spanien kein Ende der Immobilienkrise und der hohen Arbeitslosigkeit zu sehen ist und auch aus Griechenland und Zypern mit inzwischen gewohnter Regelmäßigkeit schlechte Nachrichten kommen, scheinen Investoren wieder verstärkt Vertrauen in die südeuropäischen Länder zu haben. Gestern platzierte Rom eine einjährige Anleihe für einen Zinssatz von lediglich 1,113 Prozent, die maximal angestrebte Summe von 2,5 Mrd. Euro wurde locker ausgeschöpft. Aber nicht nur im kurzfristigen Bereich scheint allmählich wieder die Sonne, auch bei den viel beachteten 10jährigen Papieren verlangen Anleger deutlich geringere Risikoaufschläge als noch vor ein paar Monaten. Zur Einordnung: Aktuell rentieren 10jährige italienische Bonds mit 4,08 Prozent, vor fast einem Jahr waren es 6 Prozent. Gleiches Bild in Spanien: Im Frühsommer 2012 wurden rund 6,5 Prozent verlangt, heute nur noch 4,33 Prozent. An den Aktienmärkten feiert man eine ähnliche Party wie in Deutschland. Seit dem letzten zyklischen Tief Mitte April entwickelten sich der IBEX oder FTSE MIB ähnlich gut wie der DAX. Risiko ist also wieder gesucht und wird auch gerne in Kauf genommen. Eigentlich ein gutes Umfeld für weiter steigende Kurse. DAX 9000 – bald schon Realität? Ausschließen möchte ich es nicht, aber das Fundament dieser Rally kann nun wirklich nicht überzeugen. Die Gelddruckmaschinen der FED, EZB und BoJ laufen auf Anschlag – und irgendwo muss die Liquidität investiert werden. Was aber passieren könnte, wenn die Notenbanken ein wenig den Fuß vom Gaspedal nehmen (oder es zumindest verbal ankündigen), haben wir in der vergangenen Woche gesehen. Und damit noch einmal kurz zum Goldpreis.

 

Nachdem wir uns gestern bereits mit der Entwicklung auf den Gold-Terminmärkten beschäftigten, folgt heute ein interessanter Ratio-Chart. Abgebildet sehen Sie mit der roten Linie das Verhältnis von Silber zu Goldpreis. Steigt die Linie an, verzeichnete Silber gegenüber dem großen Bruder eine bessere Performance. Eine fallende Tendenz deutet hingegen auf eine Outperformance des Goldpreises. Grün dargestellt ist der Verlauf des US-Leitindex S&P 500 seit 1994.

Bereits auf den ersten Blick fällt die hohe Korrelation auf. Ansteigende Kurse an den Aktienmärkten werden bestätigt von einem steigenden Silber/Gold-Ratio. Eigentlich auch logisch, denn wenn es bei den Dividendenwerten brummt, läuft die Konjunktur offenbar gut und führt zu einer verstärkten Nachfrage nach dem Industriemetall Silber. Gold ist hingegen in wirtschaftlich gesunden Zeiten weniger gefragt. In Abwärts- oder eher Crash-Phasen wie 2000 bis 2003 oder in 2008 verschieben sich natürlich die Präferenzen. Kapital aus den Aktienmärkten wird umgeschichtet in den „sicheren Hafen“ Gold – entsprechend zeigt der Silberpreis eine relative Schwäche. Ebenfalls zu erkennen ist eine leichte Vorlauffunktion des Silber/Gold-Ratios gegenüber dem US-Leitindex, vor allem an den Tops.

Seit Anfang 2012 scheint das sich gegenseitig bestätigende Verhalten aber außer Kraft gesetzt zu sein. Während die Aktienmärkte unbeirrt aufwärts laufen und zuletzt fast täglich neue Rekorde erreichten, kippt das Silber/Gold-Ratio nach unten weg. Auch wenn Gold seit Mitte April kräftig unter die Räder kam und aktuell nur knapp über den Jahrestief notiert, zeigte sich Silber im Verhältnis sogar noch schwächer. Die überdurchschnittlichen Kursverluste des Industriemetalls würden eigentlich auf eine nachlassende konjunkturelle Dynamik schließen lassen – aber dann sollten auch die Aktienmärkte deutlich abwärts zeigen. Solche Divergenzen waren in den vergangenen Jahren keine Ausnahme. Im Jahr 2000 liefen die Dividendentitel noch weiter, während das Ratio bereits Schwäche zeigte. Ähnlich auch das Verlaufsmuster in 2007. Doch auf jede negative Divergenz folgte eine entsprechende Anpassung am Aktienmarkt. Aktuell ist die Differenz bereits deutlich größer als in den vergangenen Jahren. Vielleicht sehen wir hier aber auch nur die Folgen der Zentralbankpolitik, die zunehmend die Marktmechanismen außer Kraft setzen. Und damit schließt sich zugleich der Kreis dieser Kolumne.

 

silbergoldratio
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Zum heutigen Handelstag:

Sehr interessant zu sehen waren zuletzt die Gewinneraktien in DAX, TecDAX und MDAX. Titel wie Aixtron, Metro oder Klöckner haben eine Menge  Nachholbedarf und zeigen dies auch. In diesem Bereich bildet der Markt die Erwartung ab dass nach einer langen Aufwärtsbewegung auch die Aktien drankommen, die keiner haben wollte. Das DAX-Bild zeigt auf Sicht von einem Jahr so langsam das, was man an einem Bilderbuchmarkt wie der Schweiz schon länger sieht – die Zahl der Aktien  mit negativen Vorzeichen und Nachholbedarf ist gering. Auch im DAX hat  sich die Liste auf RWE, E.ON, K+S und natürlich die Commerzbank reduziert. Auf sechs Monate können wir immerhin noch Lanxess und Thyssen  der Liste hinzufügen. In der Schweiz gibt es übrigens auf sechs Monate nicht eine einzige Aktie, die im SMI im Minus notiert.

 


Zur Verfügung gestellt von: Forexpros dem Aktien Portal

 

About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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