Chartanalyse – eine Einführung

 

Charttechnik oder Fundamentalanalyse – über kaum ein Thema wird bei Anlegern häufiger diskutiert. Aber nicht nur dort. Auch unter den Profiinvestoren und der schreibenden Zunft gibt es zahlreiche Vorbehalte. Richtig ist, dass beide Ansätze ihre jeweiligen Vor- und Nachteile haben, und die gilt es bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen. Auch wenn ich mich auf chartanalysen-online.de natürlich schwerpunktmäßig mit der technischen Verfassung der Börsen beschäftige, so zeigt doch die Börsenerfahrung der vergangenen 15 Jahre, dass erst die Kombination von beiden Analyseformen einen wirklichen Mehrwert bietet. Schließlich verfolgen beide Ansätze das gleiche Ziel, nämlich die möglichst präzise Bestimmung der Kursentwicklung. Der Unterschied zwischen beiden Methoden liegt nur in der Vorgehensweise. Halten wir als kleines Zwischenfazit fest: Charttechnik und Fundamentalanalyse sind die Erfolgsformel.

Natürlich ist auch mit Hilfe der Charttechnik keine exakte Prognose möglich. Angestrebt wird nur, für Szenarien gewisse Wahrscheinlichkeiten zu bestimmen und darauf aufbauend ein passendes Trading-Setup zu entwickeln. Vor allem bei spekulativeren und eher kurzfristigen Engagements an den Märkten, bei denen also das Timing eine größere Rolle spielt, liefert die Charttechnik wertvolle Hinweise.

Die technische Analyse basiert auf dem Grundsatz, dass sich die Finanzmärkte in Trends bewegen und durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden. Ziel ist es, möglichst früh Kursmuster und Entwicklungen zu identifizieren. Unterstellt wird somit die Konstanz menschlichen Verhaltens mit irrationalen Entscheidungen, die wiederkehrende Kursmuster zur Folge haben. Von Bedeutung ist der Kurs, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt. Dieser repräsentiert nicht nur vergangene oder gegenwärtige Informationen, sondern emotionale und fundamentale Faktoren sowie Insiderinformationen, Manipulationen und andere in Zukunft kursbeeinflussende Faktoren.

Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse, bei der versucht wird, den wahren Wert eines Unternehmens und damit eine mögliche Über- oder Unterbewertung einer Aktie zu bestimmen, konzentriert sich die Charttechnik auf Angebot und Nachfrage. Sie basiert somit auf der Annahme, dass alle Informationen bereits im Kurs und dessen Entwicklung eingepreist sind.

Charttechnik in der Praxis – ein Einführung

Darstellung und Typen von Charts

Charts bezeichnen die graphische Darstellung eines Kursverlaufs. Auf der X–Achse ist der Zeitablauf von links nach rechts sowie evtl. das Volumen dargestellt. Die Kursdaten können auf der Y–Achse in linearer oder logarithmischer Skala eingetragen werden. Beide Darstellungsformen zeigen dieselben Informationen unterschiedlich an. Bei linearen Charts bleibt der Abstand auf der Skala unabhängig von der Höhe gleich. Diese Eigenschaft führt mit zunehmender Datenreihe zu einer Verzerrung in der Darstellung des Kursverlaufs. Für die langfristige Chartanalyse und nach Baisse- oder Haussephasen ist es wichtig, dass der Chart – unabhängig von Kursniveau oder Zeitpunkt – gleiche Kursentwicklungen gleich anzeigt. Deshalb bietet sich die Analyse mit logarithmischer Skalierung an, weil diese den Kursverlauf in gleichmäßigen prozentualen Intervallen abbildet. Stellt sich heraus, dass Unterstützungen, Widerstände oder auch Trendlinien in der linearen Darstellung deutlich mehr Bestätigungspunkte aufweisen, kann ein Wechsel Mehrwert bieten.

Vergleich einer linearen (links) und logarithmischen Skalierung (rechts) am Beispiel der Commerzbank-Aktie seit 2007:

Tradesignal Online. Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.

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Unterschiedliche Arten der Kurs-Darstellungen

Gerade als Börsenneuling wird man wohl zuerst in Kontakt mit Liniencharts kommen. Die Konstruktion ist relativ simpel, denn zur Darstellung werden normalerweise die Schlusskurse  miteinander verbunden. Mit etwas umfangreicheren Chartprogrammen lässt sich die Linie aber auch mit dem Eröffnungs-, Tageshoch- oder nur der Tagestiefkurs konstruieren. Der Vorteil liegt in der vergleichsweise übersichtlichen Darstellung, nachteilig ist aber der geringe Informationsgehalt.

Denn Eröffnungs-, Tageshoch und Tagestief stellen wichtige Informationen dar, die für eine genaue Einschätzung der Marktbewegung unerlässlich sind. Balkencharts aber auch die auf chartanalysen-online.de durchgehend verwendeten Kerzencharts bilden genau diese zusätzlichen Angaben ab und erlauben daher im Gegensatz zu Liniencharts eine viel umfangreiche Analyse. Die aus Asien stammenden Kerzencharts (Candlestickcharts) beinhalten die gleichen Informationen wie Balkencharts. Allerdings hat die Differenz zwischen der Kurseröffnung und dem Schlusskurs eine höhere Bedeutung bei der Darstellung und Interpretation der Kerzen. Mit Ausnahme von Point & Figure Charts können die bisher genannten Typen erweitert werden durch die Berücksichtigung von Zeit und Volumen. Point & Figure Charts werden mit den Symbolen X für steigende Kurse und O für fallende Kurse erstellt. Kursveränderungen werden nur dann berücksichtigt, wenn sich der Kurs um ein festgelegtes Maß  (Kästchengröße) verändert hat.

Kursverlauf der Commerzbank als Linien- (links), Candle- oder Kerzenchart (Mitte) und Point&Figure (rechts):

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Unterstützungen und Widerstände

Ein erster Schritt bei der Analyse von Kursverläufen ist die Identifikation von horizontalen Unterstützungen und Widerständen. Da sich Kurse nicht geradlinig in eine bestimmte Richtung bewegen, sondern eine Reihe von aufeinanderfolgenden Hochs und Tiefs aufweisen, können diese Extrempunkte mit einer Linie verbunden werden.

Unterstützungen sind Zonen oder auch konkrete Marken unterhalb des aktuellen Kurses, wo das Verkaufs- durch das Kaufinteresse kompensiert. Bei Widerständen ist es umgekehrt: Ab einem gewissen Kursniveau lassen sich verstärkte Gewinnmitnahmen beobachten, und das Angebot übersteigt die Nachfrage.

Grundsätzlich gilt sowohl für Widerstände als auch für Unterstützungen: Je öfters die Bereiche vom Markt angelaufen und bestätigt wurden, desto höher ist die Bedeutung und damit Relevanz bei der Analyse und desto dynamischer könnte ein Trendbruch erfolgen.

Anleger sollten sich zudem der Bedeutung von runden Kursmarken bewusst sein. Oft steigen oder fallen die Notierungen bis an diese Niveaus, eher ein Richtungsumschwung bzw. eine Seitwärtsbewegung einsetzt. Im Gegensatz zu den erwähnten Unterstützungen und Widerständen, die sich aus früheren Kursbewegungen ableiten lassen, handelt es sich bei runden Marken zumindest beim ersten Anlauf oft nur um psychologische Schwellen, die eigentlich keine charttechnische Basis haben.

Wie im wirklichen Leben ist natürlich auch an Börse nichts für die Ewigkeit. Durchbricht der Kurs eine Unterstützung oder einen Widerstand, kommt es zu einem Rollentausch. Eine Widerstandslinie wird zu einer Unterstützung und umgekehrt.

Rechtecke zur Kurszielbestimmung

Unterstützungen und Widerstände auf horizontaler Basis bieten aber noch mehr Möglichkeiten. Betrachtet man nur die wichtigsten Barrieren, fällt auf, dass die Abstände vielfach einer gewissen Regelmäßigkeit unterliegen. Anders formuliert: Zwischen den Unterteilungen kommt es häufig zu gleich großen Kursschüben nach oben und unten. Dieses Phänomen lässt sich für verschiedene Zeitperioden beobachten. In der DAX-Chartanalyse verwende ich diesen Ansatz vor allem auf Tagesbasis.

Oft bestimmen die Rechtecke für einen sehr langen Zeitraum den Kursverlauf. Der große Vorteil liegt aber in der Kurszielbestimmung. Bei einem Ausbruch aus einem Rechteck liegt das Kursziel genau eine Rechteckhöhe über oder unter der Seitwärtsbewegung – je nachdem, in welche Richtung der Ausbruch erfolgte, fasst Jochen Steffens in seinem Buch „Die Target-Trend-Methode“ (s. Literaturtipp) den wesentlichen Vorteil dieses Ansatzes zusammen. Vor allem wenn der Kurs in neue Dimensionen vordringt und mit den klassischen Ansätzen keine Widerstände mehr definiert werden können, spielt die Rechteck-Methode ihre Vorteile aus. Dazu stapelt man einfach ein Rechteck auf oder unter das bereits bestätigte und eingezeichnete in die entsprechende Ausbruchsrichtung und erhält so eine gute Vorstellung, wie weit der Kurs laufen wird. Scheitert der Kurs bereits deutlich unter der Extremzone eines Rechtecks, ist dies vielfach ein Hinweis auf eine nachlassende Stärke und deutet auf eine mögliche Rückkehrbewegung an die Unterkante.

Die Bestimmung des Trends

Zu Beginn einer Analyse sollte zunächst der Trend bestimmt werden. Kurse können grundsätzlich in einer Aufwärts-, Abwärts- oder Seitwärtsbewegung laufen. In einem Abwärtstrend liegt jeder extreme Kursausschlag (Hochpunkt bzw. Tiefpunkt) unter dem vorherigen (das Angebot übersteigt die Nachfrage). Ein Aufwärtstrend liegt vor, wenn jedes Reaktionstief und -hoch über dem vorherigen Niveau liegt.

Bewegen sich die Kurse über mehrere Monate aufwärts, liegt eine Hausse vor. Anhaltend fallende Notierungen werden als Baisse bezeichnet. Als Faustregel gilt: Fallen die Kurse länger als eineinhalb Jahre lang und / oder um mehr als 20 Prozent unter das alte Hoch, liegt ein Bärenmarkt vor. Vorübergehende Kursrückgänge werden als Korrekturen oder auch Konsolidierungen bezeichnet.

Neben den Richtungen, die ein Trend haben kann, erfolgt auch eine Einteilung nach der zeitlichen Dauer. Zu unterscheiden sind Primär- (langfristig), Sekundär- (mittelfristig) und Tertiärtrend (kurzfristig). Der Primärtrend (Haupttrend) dauert ein bis mehrere Jahre und stellt die wichtigste Trendkomponente dar. Der Sekundärtrend umfasst mehrere Wochen bis zu einem Jahr, tertiäre Trends mehrere Tage bis zu wenigen Monaten. Jeder Trend ist ein Teil des übergeordneten Trends. Von daher ist es wichtig, bei der Analyse auf Tagesbasis auch immer den Wochenchart im Auge zu behalten.

Versierte Anleger achten zudem auf das Handelsvolumen. Grundsätzlich sollte sich der Umsatz immer in Richtung des bestehenden Trends bewegen. Aufwärtstrends werden somit durch ein zunehmendes Volumen bestätigt.

Trendlinien

Eng verbunden mit der Bestimmung des Trends ist auch das Einzeichnen von Trendlinien. Liegt ein Tiefpunkt während einer Kursbewegung oberhalb der vorangegangenen Zwischentiefs, handelt es sich um einen Aufwärtstrend. Die verschiedenen Extrempunkte können zu einer Geraden verbunden werden, der Trendlinie. Ein Abwärtstrend zeichnet sich durch eine Serie fallender Hochpunkte aus.

Die Zuverlässigkeit einer Trendlinie wird neben dem Neigungswinkel vor allem durch ihre Historie bestimmt. Um eine Trendlinie einzeichnen zu können, sollten mindestens drei Berührungspunkte mit dem Kurs vorliegen Je länger eine Trendlinie gezeichnet werden kann und je öfter diese getestet wurde, desto höher ist ihre Relevanz. Zusätzlich kann von erhöhter Signifikanz der Trendlinie ausgegangen werden, wenn diese flacher verläuft und eine Verletzung der Linie durch den Kurs bei höheren Volumina stattfindet.

Formationen

Innerhalb eines bestehenden Trends bilden Kurse häufig unterschiedliche Kursmuster aus. Trendfortsetzungsformationen zeigen eine Korrekturbewegung in einem sekundären oder tertiären Trend an, bevor die ursprüngliche Bewegung wieder aufgenommen wird. Relevantere sind  Trendumkehr- oder auch Trendwendeformationen.

Trendbestätigungsformationen zeigen an, dass es nach dem Ausbruch aus einer solchen Formation zu einer Fortsetzung des ursprünglichen Trends kommt. Die bekanntesten Formationen sind das Dreieck, die Flagge und das Rechteck.

Dreiecke bestehen aus zwei konvergierenden Trendlinien, die sich im Kreuzpunkt (Spitze) treffen. Die Formation ist vollendet, wenn der Schlusskurs außerhalb der beiden Trendlinien liegt. Der Kurs sollte spätestens nach ¾ der Strecke – ausgehend von der horizontalen Breite am linken Rand (Basis) – aus der Formation ausbrechen, ansonsten verliert das Dreieck an Aussagekraft.

Flaggen zählen zu den zuverlässigsten Fortsetzungsformationen und sind immer gegen den Haupttrend geneigt (im Aufwärtstrend ist sie abwärts geneigt (bullishe Flagge) und im Abwärtstrend aufwärts (bearishe Flagge). Diese Formationen treten häufig nach stärkeren Kursveränderungen auf, wenn es zu einer kurzen Erholung kommt. Flaggenformationen sind vollendet, wenn der Kurs die Trendlinie der Flagge durchbricht und den ursprünglichen Trend wieder aufnimmt. Häufig treten Flaggen nach der Hälfte einer Kursbewegung auf (sie „wehen auf Halbmast“).

Innerhalb der Rechteckformation (Handelsspanne) bewegen sich die Kurse zwischen zwei parallel verlaufenden horizontalen Linien. Die Signifikanz eines Ausbruchs steigt, je länger die Handelsspanne andauerte und je enger die Spanne war.

Trendwendeformationen bezeichnen im Gegensatz zu Trendfortsetzungsformationen einen bedeutenden Trendwechsel und damit die mögliche Ausbildung eines neuen Trends. Vor allem mittel- bis langfristig ausgerichtete Anleger sollten diese Gelegenheiten an den Märkten genau verfolgen. Voraussetzung für Umkehrformationen ist das Vorliegen eines Trends.

Zu den wichtigsten Formationen zählt der Doppel-Boden. Dieses auch als W-Formation bekannte Chartmuster ist vollendet, wenn der Kurs über das Zwischenhoch ansteigt. Im Gegensatz dazu kündigt das Doppel-Hoch oder die M-Formation das Ende einer Aufwärtsbewegung an. Bei einem Doppel-Hoch löst die Unterschreitung des Zwischentiefs das Verkaufssignal aus.

Als einer der wichtigsten und verlässlichsten Umkehrformationen zählt die Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS). Das Kursziel kann durch Projektion des vertikalen Abstandes vom Kopf bis zur Nackenlinie ausgehend vom Durchbruchspunkt bestimmt werden.

Klingt einfach, ist es aber nicht

In der Praxis ist die Chartanalyse allerdings etwas schwieriger, als es auf den ersten (theoretischen) Blick erscheinen mag. So gibt es zum Beispiel keine allgemeingültige Regel, ab wann der Kurs nachhaltig Unterstützungen, Widerstände oder Trendlinien durchbrochen sowie Trendwende- sowie Trendfortsetzungsformationen vollendet hat. Grundsätzlich gilt, dass ein Schlusskurs auf Wochenbasis signifikanter ist als auch Tagesbasis und eine Intraday-Verletzung weniger bedeutend ist als eine auf Schlusskursbasis. Als hilfreich erweisen sich oft auch Filter, mit denen ein Durchbruch von einem Fehlsignal unterschieden wird. Mögliche Kauf- oder Verkaufsentscheidungen ergeben sich dann, wenn der Kurs um einen bestimmten Prozentsatz (Kursfilter) oder Anzahl von Tagen (Zeitfilter) vom Trendliniendurchbruch entfernt verläuft  und diese Warnzone verlassen wurde. Wie auch sonst im Leben gilt auch bei der Chartanalyse: Übung und Erfahrung sammeln macht den Meister. Aber man lernt nie aus…

An dieser Stelle erlaube ich mir einen kurzen aber wichtigen Hinweis: Oft lesen Sie in Marktberichten, dass die Kurse gestiegen sind, weil es mehr Käufer als Verkäufer gab. Das ist natürlich Unsinn. Denn jedem Käufer steht immer ein Verkäufer gegenüber. Ob die Kurse steigen oder fallen hängt nicht davon ab, ob es mehr Käufer oder Verkäufer gab, sondern vom Preis, zu dem ein Investor bereit war zu kaufen und der andere zu verkaufen. Auch an der Börse gilt natürlich die alte Regel von Angebot und Nachfrage.

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