Risikokarte wird nicht mehr gespielt
In den kommenden Wochen sollte der Blick an den Aktienmärkte eher abwärts gerichtet sein. Vor allem in den USA und den BRIC-Staaten könnte es ungemütlich werden – mit Folgen für Euroland.
Im Oktober 2012 erschien das Buch “Die Target-Falle” von Hans-Werner Sinn. „Der Veröffentlichungszeitpunkt dürfte eine wichtige Wendemarke markieren“, schrieben wir damals in der Kolumne „Right on Target“. Tatsächlich fällt der Target2-Saldo der Bundesbank seit Oktober 2012. EZB-Chef Mario Draghi sprach am 1. August 2013 von einer „bedeutsamen Reduzierung des Target 2-Saldos“.
Der Fall von 719 auf 576 Mrd. Euro bedeutet einen Saldo-Abbau in Höhe von 20 Prozent. Der Abbau erfolgte von Oktober 2012 bis Januar 2013 recht deutlich. Anschließend verringerte sich die Dynamik. Parallel zum Target 2-Saldo haben wir den Renditespread zwischen 10jährigen Anleihen Deutschlands und Spaniens eingezeichnet (obiger Chart). Der Entspannungsprozess ist gut erkennbar.
Der Gesamtblick auf die Renditespreads spanischer, italienischer und französischer Staatsanleihen zu deutschen Bundesanleihen zeigt ebenfalls ein Entspannungsmuster (folgender Chart).
Getragen durch eine positive Börsenentwicklung in Paris, Mailand und Madrid hat der EuroStoxx 50 sein Jahreshoch aus dem Mai nahezu erreicht.
Und der Euro? Es herrscht Ruhe wie seit drei Jahren nicht mehr. Der Euro/Dollar bewegt sich bei 1,34 in einer Handelsspanne.
Es ist ein Glücksfall für Angela Merkel, eine derartige Situation unmittelbar vor einer Bundestagswahl vorzufinden. Ihr Motto: Am besten nur gucken, nicht anfassen. Bloß keine Instabilität durch Aktivität ins System bringen.
Sollte sich die Situation an den Weltmärkten verschlechtern, so dürften Nachrichten aus Euroland eher nicht dafür verantwortlich sein.
Der Blick richtet sich auf die BRIC-Staaten und in die USA. An der NYSE traten an den vergangenen vier Handelstagen drei Hindenburg-Omen auf.
Diese ergeben sich deshalb, weil die Zahl der neuen 52-Wochen-Tiefs derzeit recht hoch ist. Dies ist auf die Vielzahl von an der NYSE notierten und derzeit schlecht laufenden Anleihefonds zurückzuführen. Hindenburg-Omen weisen in der Regel auf fallende US-Aktienmärkte hin.
Die Bereitschaft der Marktteilnehmer, Risiken zu gehen, nimmt ab. Dies jedenfalls
lässt sich aus der fallenden Ratio der Hochzinsanleihen zu den normalen
Anleihen ablesen
Diese läuft üblicherweise parallel zum US-Aktienmarkt. Aktuell bildet sich eine
negative Divergenz aus. Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte der Ratio
folgen werden.
Auch der zyklische Blickwinkel zeigt eine recht hohe Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur
an den Märkten an. Dargestellt sind die Durchschnittsverläufe der
Nachwahljahre, in denen der US-Präsident wiedergewählt wurde.
Die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China befinden sich
in einem Zustand unspezifischer Schmerzen. Das jahrelange Wachstum
kam nach der Krise von 2008/09 nicht so zurück, wie man es gewohnt war.
Die Märkte gingen in eine gefühlte Stagnation über. Dies lässt sich schön
an den Chartverläufen Leitindizes der BRIC-Staaten ablesen.
Die Leitindizes sind auf den Juli 2005 geeicht, um einen Vergleich zwischen den
Indizes ermöglichen zu können. Seit diesen zweieinhalb Jahren befinden sich die
Leitindizes der BRIC-Staaten in einer Seitwärts-/Abwärtsbewegung. Es ist
anzunehmen, dass es in diesen Märkten noch zu einer bereinigenden, letzten
Abwärtsbewegung kommt, bevor das Kapital in die BRIC-Staaten zurückfließt
Fazit: Kommt es in den kommenden Wochen zu Enttäuschungen an den Märkten – wovon wir
ausgehen – dann dürfte Euroland nicht als Sünder ausgeguckt werden. Chancen auf
diesen Titel haben dieses Mal die USA und die BRIC-Staaten. Das bedeutet aber
nicht, dass Euroland in einem Krisenfall aus dem Schneider wäre. Fallen die
Dominosteine USA und BRIC, so dürfte insbesondere das Zentrum Eurolands
(Deutschland, Frankreich) leiden. Es könnte gut sein, dass Target-Salden und
Spreads deshalb weiter sinken, weil sich die europäische Peripherie relativ
besser hält
Wir bleiben bei unserem Szenario einer wenig gemütlichen zweiten Jahreshälfte an
den Finanzmärkten
Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest
P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter www.wellenreiter-invest.de
Robert Rethfeld betreibt die Internetseite Wellenreiter-Invest. Kernprodukt ist ein handelstäglich erscheinender Börsenbrief. Auch ein kostenloses 14-tägiges Schnupperabonnement ist möglich. Die Aufmerksamkeit gilt Langfristentwicklungen, Zyklen und saisonalen Mustern sowie der Verschiebungen des smarten Geldes. Zusätzlich werden die Positionierungen der kommerziellen Händler und Großspekulanten analysiert („CoT-Daten“). Rethfeld ist TV-Interviewpartner und Mitglied der Vereinigung technischer Analysten (VTAD). Er lebt im Vordertaunus, wo er sich als Vorsitzender einer Freien Wählergemeinschaft kommunalpolitisch engagiert.