By 29. August 2013 Read More →

Umschichtungen an Wall Street

Die Lage ist derzeit recht eindeutig: Es wird mehr ver- als gekauft. Während Kleinanleger noch auf der Käuferseite aktiv sind, steigen institutionelle Investoren und Insider aus. Die Stimmung dürfte bald deutlicher kippen.

 

Wieder einmal haben sich die US-Statistiker – diesmal vom Bureau of Census – so richtig ins Zeug gelegt, um die staunende Öffentlichkeit mit richtig großem Kino zu verzücken. Für die in der Vorwoche veröffentlichten Juli-Zahlen der Neubauverkäufe hatten „Experten“ ein Plus von 485.000 prognostiziert. Herausgekommen sind aber lediglich 394.000. Für den Juni hatten die Statistiker einen Zuwachs von 497.000 Häusern bekannt gegeben, korrigierten diese Zahl aber jetzt auf 455.000 nach unten. Spaßvögel. Aber die Erklärung des krassen Einbruchs der Verkäufe neuer Immobilien ließ nicht lange auf sich warten: Die anziehenden Hypothekenzinsen hätten die Käufer davon abgehalten, sich für den Hauskauf zu entscheiden.

Quelle: markt-daten.de

Quelle: markt-daten.de

Da setzt man ganz unverblümt auf die Vergesslichkeit der Anleger. Denn kurz zuvor, als die Zahl der verkauften gebrauchten Häuser besser als erwartet ausgefallen war, wurde das gegenteilige Argument bemüht: Die Aussicht auf weiter steigende Zinsen hätte die Hauskäufer veranlasst, zuzugreifen, bevor die Konditionen noch schlechter würden.

Da darf sich jeder aussuchen, welchen Zahlen er Glauben schenken und welchem Argument er folgen mag. Klar dürfte sein, dass sich die Käufer neuer und gebrauchter Immobilien ähnlich verhalten und nicht gegensätzlich. Wir wissen also nicht, ob es dem Immobilienmarkt nun besser oder schlechter geht. Aber wir können zumindest darüber spekulieren, warum man offenkundig auch gar nicht will, dass wir das wissen. Positive Überraschungen dürften kaum der Grund dafür sein.

Baltic Dry und HARPEX: Desolat

Dass es mit der Weltwirtschaft bergauf geht, glauben vermutlich nur Anleger, bei denen sich die Absätze vorne an den Schuhen befinden. Denn ginge es tatsächlich nach oben mit der Weltkonjunktur, müsste sich das zwangsläufig an den Warenströmen auf den Weltmeeren zeigen.

Wachstum erzeugt Nachfrage, Nachfrage erzeugt Auftragseingänge und zwingt die Produzenten, Rohstoffe einzukaufen. Und natürlich nimmt der Transport an halbfertigen und fertigen Gütern zu.

Sieht man sich den Baltic Dry-Frachtraten-Index (LINK) oder den noch konjunkturnäheren HARPEX der Reederei Harper Peterson & Co. an, kann davon beim besten Willen nicht die Rede sein. Der Baltic Dry-Index, der durch die Überkapazitäten der Reedereien etwas verzerrt ist, liegt immer noch um über 90 Prozent unterhalb seines 2008 erreichten Allzeithochs, beim HARPEX sind es 78 Prozent.

Was die durchaus ernüchternde Schlussfolgerung zulässt, dass die seit der Jahreswende 2008/2009 praktizierte Nullzinspolitik der Notenbanken möglicherweise Schlimmeres verhindert hat, ganz sicher aber die Wirtschaft nicht zurück auf den Wachstumspfad bringen konnte.

Anleger sollten/müssen sich das vor Augen führen und einmal ganz nüchtern in Relation zur Kursentwicklung etwa an der Wall Street oder hierzulande setzen. Dass die institutionellen Anleger der Wall Street zuletzt ungemein deutlich die kalte Schulter gezeigt haben, lässt sich bereits seit einigen Wochen feststellen. Die sgn. Insider-Verkäufe (nicht zu verwechseln mit strafbaren Handlungen nach unserem StGB) zeigten auch in der letzten Woche massiv nach oben. US-Manager sind verpflichtet, Käufe und Verkäufe der Aktien des eigenen Unternehmens anzuzeigen.

Derzeit ist die Lage sehr eindeutig: Es wird massiv mehr ver- als gekauft. Und wer hätte einen besseren Einblick in die Auftragsbücher und die Wirtschaftsperspektiven des eigenen Unternehmens als seine Lenker? Aber solange diese Verkäufe durch andere Marktteilnehmer aufgefangen werden, wird der Markt die Nase nicht nach unten nehmen. Ob das „gesund“ oder „ungesund“ ist, tut da nichts zur Sache.

 

Kleinanleger: Den Letzten beißen die Hunde

Die Antwort auf die Frage, wer denn derzeit an der Wall Street das Material aufnimmt, dass Institutionelle und vorbeschriebene „Insider“ verkaufen, ist einfach zu beantworten: Kleinanleger. Diejenigen also, die immer dann einsteigen, wenn das Trommeln für den Aufschwung besonders laut wird. Und die dann regelmäßig auch die sind, die wieder aufs Neue auf die Nase fallen.

Erst wenn diese Klientel zu verstehen beginnt, dass etwas faul sein muss, kippt der Trend nach unten weg. Einfach, weil den Verkäufen der „Großen“ dann keine „Kleinen“ mehr gegenüber stehen, die den Markt stabilisieren.

Ablesen lässt sich das, Sie wissen es, am besten an der Nachfrage nach Börsenkrediten. Solange Anleger bereit sind, auf Kredit zu spekulieren, also fest damit rechnen, ihre Zinszahlungen für diesen Kredit an der Börse durch Kursgewinne der gekauften Aktien mehr als überkompensieren zu können, gehen sie dieses Risiko ein. So betrachtet, stellt diese Nachfrage nach Börsenkrediten den besten Sentimentindikator da, der sich vorstellen lässt. Natürlich wäre es schön, im abgebildeten Chart jetzt eine spektakuläre Bewegung in die eine oder andere Richtung abbilden zu können.

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Die abgelaufene Woche machte es aber noch einmal spannend. Seit nunmehr sechs Wochen bewegt sich die Nachfrage nach Börsenkrediten nahe ihres Allzeithochs seitwärts. Die Kleinanleger schlucken also weiter brav das, was die großen Adressen zum Verkauf stellen. Aus dieser Perspektive heraus gibt es derzeit also nur „Alarmsignal Gelb“, nicht aber Rot. Heute in einer Woche werden wir uns das neu ansehen – und auch den DAX mit seinem auf Monatsbasis sehr zuverlässig arbeitenden KAMA-Indikator, zu dem Sie mir so viele Zuschriften gesandt hatten.

IBM: Ich Bin Müde

IBM, wegen seines blauen Logos und seiner über viele Jahrzehnte andauernden Signalwirkung für die Kursentwicklung der Wall Street einst als „Big Blue“ bezeichnet, ist ganz zweifellos immer noch eine Ausnahme-Aktie.

Denn während der Dow Jones nur mit Ach und Krach ein neues Allzeithoch bewerkstelligen konnte, schraubte sich IBM ab 2010 noch einmal fulminant nach oben. Jetzt zeigt die Aktie allerdings Schwächezeichen.

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Denn währen der Dow seit Sommer letzten Jahres per Saldo weiter punkten konnte, setzte die Aktie innerhalb einer nun schon seit Anfang 2012 andauernden Seitwärtsbewegung wieder auf einem Kursniveau auf, das sie seitdem schon wiederholt angetestet hatte. Aber: Anders als bis jetzt ist der Momentum-Indikator (einer der klassischen Sorte, die die Nano-Spinner von heute für antiquiert halten), nun doch deutlich in den negativen Bereich abgetaucht. Ich meine:

Wer es ganz gelassen und mit hohem Sicherheitslevel angehen will, wartet einen Schlusskurs von IBM unter 180 US-Dollar ab, um dann in einen lang laufenden Put einzusteigen. 120 – 130 US-Dollar sind dann der Zielbereich.

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

 

 

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

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