ThyssenKrupp – eine Entscheidung bahnt sich an

Im April und Mai waren fast täglich neue Gerüchte über die Zukunft des ThyssenKrupp-Stahlwerks in Brasilien zu lesen. Der Kurs reagierte jeweils mit einem kurzen Freudensprung, aber nachhaltig war die Entwicklung nicht. Denn das Management lieferte nicht wie erhofft Fakten, sondern verwies nur auf laufende Gespräche. Wie ist der heutige Kurssprung einzuordnen?

 

Aktuell scheint sich  die Geschichte zu wiederholen, doch vielleicht ist auch mehr an den Neuigkeiten aus Brasilien. ThyssenKrupp-Aktie stemmen sich heute gegen den eher schwachen Markttrend und legen um 2,3 Prozent zu. Nach Informationen der brasilianischen Zeitung „O Estado de S. Paulo“ steht der Industriekonzern kurz vor dem Verkauf seines unliebsamen Stahlwerks. Demnach soll der brasilianische Stahlhersteller CSN zwei Drittel der Anlage übernehmen, während ThyssenKrupp nur noch mit einem kleinen Anteil an Bord wäre. Finanzielle Details: Fehlanzeige. Offen ist zudem, ob Vale grünes Licht für den Deal signalisiert. Immerhin ist der Eisenerzkonzern mit 27 Prozent beteiligt. ThyssenKrupp wollte sich zu den neuen Spekulationen natürlich nicht äußern und strebt weiterhin einen „zeitnahen Abschluss“ an. Mit ähnlichen Äußerungen mussten sich die Anleger bereits im Frühjahr zufriedengeben.

 

Drei mögliche Katalysatoren

Der Verkauf des brasilianischen Werkes könnte der Aktie neuen Esprit verleihen und würde zugleich Hoffnungen auf eine zügige Lösung für das Werk in den USA entfachen. Solange es aber keine Fakten gibt und Details wie der Verkaufspreis und eine mögliche Beteiligungsquote bekannt werden, dürften die zwischenzeitlichen Erholungen schnell verpuffen. Allerdings wäre auch bei einer Lösung Euphorie nicht angebracht, denn das Management hat noch weitere Hausaufgaben zu erledigen.

Als belastend erweist sich nach wie vor auch das laufende Kartellverfahren. Als Beteiligter am Schienenkartell fordert die Deutsche Bahn von den ehemaligen Mitgliedern Schadensersatzforderungen von rund 850 Mio. Euro. Und der Gegenspieler ist nicht zu unterschätzen, denn ein Großteil der Zahlungen würde an den Bund fließen.  Vorsorglich hat ThyssenKrupp bereits im ersten Halbjahr Rückstellungen von Höhe von 207 Mio. Euro gebildet. Da weitere Klagen nicht auszuschließen sind, gehen die Analysen vom Bankhaus Lampe von zusätzlichen Rückstellungen von bis zu 250 Mio. Euro für Schadensersatzleistungen aus. Der negative Effekt auf die Aktie dürfte allerdings unter 0,50 Euro liegen.

Spekulationen über eine bevorstehende Kapitalerhöhung schweben ebenfalls wie ein Damoklesschwert über der Notierung. Die Kapitalausstattung lässt durchaus zu wünschen übrig: Die Eigenkapitalquote liegt inklusive Minderheitsanteile lediglich bei 9,5 Prozent. Zu Jahresbeginn wurden Gerüchte über eine Kapitalerhöhung noch dementiert, Mitte Mai hörte sich das schon anders an: „Wir können eine Kapitalerhöhung in den nächsten sechs bis neun Monaten nicht ausschließen“. Sollten hier die Fakten und genauen Konditionen auf den Tisch kommen, brauchen investierte Anleger gute Nerven. Hinter verschlossener Türe dürften die Verhandlungen jedenfalls sehr hitzig verlaufen. Denn mit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (AKBH) sitzt ein mächtiger Großaktionär mit am Tisch, der gut 25 Prozent der Anteile hält und mit Sicherheit gegen eine Kapitalerhöhung stimmen wird, wenn die Sperrminorität in Gefahr geraten sollte. Da die Finanzdecke der Stiftung Gerüchten zufolge kaum ausreicht, um bei der Ausgabe neuer Aktien dabei zu sein, bleiben eigentlich nur zwei Szenarien: Entweder fällt die Kapitalerhöhung nur sehr gering aus, oder Thyssen verliert seinen Übernahmeschutz – was wiederum den Kurs beflügeln könnte. Das Bankhaus Lampe rechnet erst nach einem Verkauf von Steel Americas mit einer kleinen Kapitalerhöhung. Gemäß Satzung könnte der Konzern zehn Prozent des Grundkapitals oder rund 51 Millionen neue Aktien im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens platzieren. Die Eigenkapitalquote wurde sich so auf rund 10,6 Prozent erhöhen.

Tradesignal Online. Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.

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Fazit: Der Aktienkurs dürfte erst dann richtig durchstarten, wenn sowohl für die Werke in Amerika als auch das laufende Kartellverfahren und die Kapitalerhöhung Fakten auf dem Tisch liegen. Hingegen könnte die für den 14. August angesetzte Veröffentlichung der Q3-Zahlen nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Posted in: Aktien, Deutschland

About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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