By 11. März 2013 Read More →

Kredite für Aktienkäufe geben Warnsignal

Drängeln Sie nicht, die besten Plätze sind eh schon weg. Aber den neuen DAX-Rekord werden Sie auch so mitbekommen. Lassen Sie (frei nach Loriot) doch mal das Kind nach vorne. Denn bald dürfte es etwas fürs Leben zu lernen geben, das so selten vorbei kommt wie eine Sonnenfinsternis!

 

 

Sie kennen das: Da sitzt man im Steakhaus seines Vertrauens und sichtet die Speisekarte. Filet mignon, T-Bone- oder doch gleich das gewaltige Porterhouse-Steak? Stünden Appetit und Magenvolumen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander, wäre die Antwort ja einfach.

Mit dem Geschehen in Politik und Börse in der vergangenen Woche verhält es sich ähnlich: Zu viele Köstlichkeiten warten darauf, für die Kommentierung in die engere Auswahl gezogen zu werden. Lust auf eine kleine Verkostung? Dann keine falschen Hemmungen, probieren Sie einfach mal, es schaut ja niemand zu:

In einem ganzseitigen Leitartikel untersuchte das Handelsblatt am Donnerstag die Perspektiven für den Aktienmarkt. Zwei Aussagen fand ich besonders bemerkenswert. Zum einen wurde, man kennt das ja, wieder das Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bemüht, um die positiven Aussichten für DAX und Dow zu untermauern. Argumente, die logisch klingen, aber in der Praxis fast regelmäßig versagen, sollten sich irgendwann einmal überlebt haben. Haben sie aber nicht.

Im Juli 2007, beim bisherigen Allzeithoch des DAX von 8.152 Punkten, lag das KGV bei 13,55, im März 2009, als der deutsche Aktienindex sich dann mehr als halbiert hatte, jedoch bei 16,74. Hätten Sie sich am KGV orientiert, hätten Sie am Topp kaufen und am Tief verkaufen müssen.

Hervorhebenswert ist dann aber auch noch die Aussage des Verfassers, dass Aktienkurse nur dann steigen, wenn es mehr Käufer als Verkäufer gibt. Ich hege keinen Zweifel daran, dass 99 Prozent der Beschäftigten in der Frankfurter City diese Feststellung unterschreiben würden. Unsinn bleibt sie dennoch. Können mehr Autos ge- als verkauft werden? Nein. Äpfel oder Birnen auch nicht. Und Aktien ebenfalls nicht. Jedem Käufer steht immer ein Verkäufer gegenüber. Und ob die Kurse steigen oder fallen, hängt nicht von der zwangsläufig identischen Anzahl der Käufer und Verkäufer ab, sondern einzig vom Preis, zu dem der eine zu kaufen und der andere zu verkaufen bereit ist.

 

Euro wird zur Bürde

Mit dieser griffigen Überschrift meldete sich am Montag ifo-Präsident Hans-Werner Sinn (ebenfalls im Handelsblatt) zu Wort. Auch ihm wurde für seinen Kommentar eine ganze Seite gewährt. Und es gab etwas zu staunen. Picken wir uns die Filetstücke heraus: „Die angebliche Rettungspolitik“, führt der Professor aus, „verschlimmert also die Rezession und erzeugt noch mehr Arbeitslosigkeit, als ohnehin schon vorhanden ist.“ Und: „Die Aufwertung des Euro zeigt einmal mehr, welch riesige Kollateralschäden die Rettungspolitik mit sich bringt. Diese Politik öffnet nicht nur Brandkanäle von den Krisenländern in den Staatsbudgets der noch soliden Länder und bürdet den Steuerzahlern und Rentnern dieser Länder riesige Vermögensrisiken auf. Sie behindert darüber hinaus die Gesundung der Krisenländer selbst.“

Wenn man sich wie ich seit 2007 die Finger zur fehlgeleiteten Rettungsstrategie regelrecht wund schreibt und dann feststellen muss, dass jetzt, wirklich erst jetzt nach sechs langen Jahren auch über den 170 Mitarbeitern von Deutschlands meistgeachteter ökonomischer Denkfabrik der Stern der Erkenntnis aufgeht, kann es einem wirklich Angst und Bange werden, zumal die Politik ja selbst heute noch nicht von diesem Stern erleuchtet wird.

Aus dem Rest des Beitrages des ifo-Präsidenten sticht vor allem die altbekannte Forderung nach „fallenden Euro-Preisen für menschliche Arbeitskraft“ hervor. Um es klarer auszudrücken: Herr Sinn plädiert für niedrigere Löhne, um Europa wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Ein Credo, hinter dem ja auch die Bundeskanzlerin steht.

Was hier einfach nicht verstanden wird ist, dass so etwas nur dann funktioniert (zumindest in der Theorie), wenn die Volkswirtschaften, gegenüber denen man einen Wettbewerbsvorteil heraus zu arbeiten versucht, diesem Versuch tatenlos zusehen, ohne selbst entsprechend dagegen zu halten. Das ist natürlich mehr als weltfremd.

Umso mehr Staaten jedoch diesen Weg gleichzeitig beschreiten – und das ist heute der Fall – umso weniger kann diese Strategie funktionieren. Einmal überspitzt zu Ende gedacht: Eine Weltwirtschaft, in der alle Arbeitnehmer für nur einen Euro Stundenlohn arbeiten, ist unendlich wettbewerbsfähig. Aber nicht im gegenseitigen Handel, sondern im Export auf den Mars oder die Venus – gesetzt den Fall, dass dort die Stundenlöhne höher liegen. Und: Umso stärker die „Preise für menschliche Arbeitskraft“ gesenkt werden, umso näher rückt der Punkt, an dem Verbraucher aufhören, Verbraucher zu sein.

Sehen Sie in die skandinavischen Länder: Hohe Löhne, hohe Steuern, hohe Nachfrage. Für den Euroraum hingegen hat die EZB auf ihrer Pressekonferenz am Donnerstag die Wachstumsprognose für das erste Quartal deutlich nach unten revidiert, während die Arbeitslosenquote mit 11,9 Prozent für den Januar eine neue Rekordmarke erreichte. Und Sie können jede Wette darauf eingehen, dass die Verfechter des Wettbewerbsarguments jetzt noch lauter danach rufen werden, die Löhne zu senken.

Frühling und Sommer statistisch Eiszeit

Sie werden mir zustimmen: Auch unter Börsianern gibt es einige Sonderlinge, die tatsächlich an Dinge wie den „Superbowl“-Indikator glauben. Der Ausgang des Endspiels um die Meisterschaft der National Football League (NFL) im American Football weist für die Richtung der Wall Street im jeweiligen Jahr nach bisher 47 Endspielen eine „Trefferquote“ von 75 Prozent auf. Dennoch hat er mit der Kursentwicklung am Big Board in etwa so viel zu tun wie die Anzahl der Störche mit der Geburtenrate. Aber jeder mag glauben, was er will.

Zu den wenigen Börsenregeln, die den statistischen Kriterien der Objektivität, Validität und Reliabilität genügen, genügt die Saisonalität der Märkte. Was ich meine, sehen Sie im folgenden Chart, den ich mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dimitri Speck (www.seasonalcharts.com) abbilde. Lieber Herr Speck: So schnell wie Sie hat nach mir noch niemand die Freigabe zur Abbildung einer Arbeitsergebnisse erteilt, besten Dank noch einmal!

 

Was Sie hier sehen, ist, vereinfacht ausgedrückt, was aus einer Anlage im Dow Jones geworden wäre, wenn Sie entweder immer nur in den Monaten November bis April oder aber von Mai bis Oktober in den Index investiert hätten. Die abgebildeten Kurven geben die seit 1960 berechneten, kumulierten prozentualen Gewinne dieser beiden nur zeitverschiedenen Handelsansätze wieder. Hier ist das Ergebnis eindeutig.

Und ein entsprechendes Grundkapital und eine statistische Ausreißer tolerierende, langfristige Ausrichtung vorausgesetzt, könnte man mit Fug und Recht annehmen, dass sich Anleger, die immer nur von November bis April auf steigende Kurse setzen, damit sehr angenehme Frühlings- und Sommermonate finanzieren können. Aber wie sieht es beim DAX aus?

Wenn Sie mein Geschreibsel schon etwas länger verfolgen, wissen Sie um den Unfug der periodisch wiederkehrenden Mär von der „Abkopplung“ des deutschen Aktienindex von den Vorgaben der Wall Street. Schließlich (beste Grüße an alle Fundamental-Analysten) sollte man annehmen können, dass der DAX gegenüber dem Dow durch die Decke geht, wenn hier die Wirtschaft brummt, während die USA am Rande oder sogar in der Rezession stehen. Nur:

Hier koppelt sich nichts ab! Der DAX bzw. seine Anleger sind Wall Street-hörig, unterschiedliche Wirtschaftsdaten, ein verdoppelter oder halbierter Wechselkurs von EUR/USD, ein in die eine oder andere Richtung weisendes Zinsgefälle etc. etc. sind zwar weitgehend hundekotfreie Spielwiesen für aus öffentlichen Mitteln bezahlte Ökonomen, haben aber (wie oben zitierter Herr Sinn, der gerade die Aufwertung des Euro beklagt) nur bisweilen und vermutlich eher zufällig Kontakt mit der Lebenswirklichkeit.

Sehen Sie sich einfach den Chart an, den ich im Zeitfenster genau an den ersten Chart von www.seasonalcharts.com angepasst habe und der damit also ebenfalls 1960 startet! Der DAX ist am Dow geradezu festgekettet, er folgt jeder Trendvorgabe der Wall Street, überzeichnet diese Vorgaben aber prozentual in beide Richtungen.

Diese Übereinstimmung von DAX und DOW im abgebildeten, einen Zeitraum von über 50 Jahren abdeckenden Chart lässt sich ebenso gut bis hinein in den Sekundenbereich der sgn. „Tick-Charts“ hinein verfolgen. Was nun wirklich auch den letzten Anhänger der an unseren Universitäten gelehrten VWL einmal zum Nachdenken darüber bringen müsste, ob da nicht eine Theorie verbreitet wird, die in der Praxis seit Jahrzehnten erkennbar widerlegt ist. D. h.: Sollte der Dow auch in diesem Jahr seinem saisonalen Muster folgen, wird das so gut wie sicher auch den DAX betreffen.

 

Crash is Cash!

Würden Sie jemandem ein gebrauchtes Auto für 8.000 Euro abkaufen, es ihm dann für 2.200 Euro zurückverkaufen, um es ihm dann zum Preis von 8.000 Euro erneut abzukaufen und es ihm dann für 3.600 Euro zurückzugeben, um es ihm danach noch einmal für 8.000 Euro abzukaufen? Natürlich nicht. Niemand würde das.

Ersetzen Sie in diesem Beispiel das Auto hingegen durch das Wort DAX oder auch Aktie, finden Sie eine ganze Menge Leute, die aber genau das tun, unter ihnen vermutlich auch die, die mit Hilfe des KGV (s. o.) den DAX teuer oder billig rechnen.

Die Handvoll der wirklich Erfolgreichen geht genau umgekehrt vor: Sie machen sich zum Ausstieg bereit, wenn auf den Titelseiten der Zeitungen (wie in der Samstagsausgabe der Börsenzeitung) die neuen Rekorde bejubelt werden und sich die Aufwärtsprognosen überschlagen. Und sie steigen ein, wenn die Wirtschaft Trübsal bläst, die Kurse sich wieder halbiert oder gedrittelt haben und wenn die Masse der Anleger sich fragt, warum sie auch nach diesem Anlauf auf die erste Million schon wieder noch weniger Geld haben als bei den letzten Versuchen.

Gründe, warum „diesmal alles anders kommt“, finden sich immer. 2000 war es die vermeintliche „New Economy“, die den Anlegern die Dollarzeichen auf den Augäpfeln rotieren ließ, 2007 war es das Statement der US-Notenbank, dass die Suprimekrise nur ein kleines Hüsteln sei. Und heute ist es das durch die Notenbanken alimentierte Liquiditätsargument. Und: Natürlich können die Börsen weiter steigen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Schiff wieder genau dann untergeht, wenn auch die letzten Zauderer an Bord sind, ist hoch.

 

Warnsignal US-Aktienfonds

Um festzustellen, wieviele Passagiere sich bereits an Bord befinden, ist der Blick auf die Barreserven der US-Aktienfonds hilfreich. Zum Start der in den Jahren 2000 und 2007 begonnenen Kursstürze (mit denen sich Putkäufer ein sorgenfreies Leben verdienen konnten) markierten diese Barreserven neue historische Tiefs. Anders ausgedrückt: Als die Märkte von gewaltigen Tsunamis heimgesucht wurden, waren die Fonds bis zur Halskrause im Aktienmarkt investiert. Heute liegen ihre Barreserven, also da, was noch kurssteigernd im Aktienmarkt angelegt werden könnte, noch deutlich tiefer als damals.

Und was die immer beschworenen großen Versicherungen betrifft, die angeblich ja seit Monaten nur darauf warten, in den Aktienmarkt einzusteigen, sollte vielleicht einmal klargestellt werden, dass wir darauf lange warten können. Nicht weil sie nicht wollten, sondern weil die gesetzlichen Regularien sie einfach daran hindern, ihre Aktienquoten nach Belieben hochzufahren. Wäre das nicht so, darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel, hätte der Steuerzahler neben den „too big to fail“-Banken heute auch noch „too big to fail“- Assekuranzen an der Backe.

Und die Privatanleger? Sehen Sie selbst: Ihre Nachfrage nach Krediten für Aktienkäufe haben den zweithöchsten Stand des mir zur Verfügung stehenden Datenmaterials der vergangenen 30 Jahre erreicht. Auch hier also Optimismus pur.

Leider zeigt der Blick auf diese Kurve aber auch, dass die Kleinanleger immer dann am stärksten auf Pump in den Markt einstiegen, wenn die Aktienkurse unmittelbar vor eine Trendwende nach unten standen. Waren die Kurse hingegen im Keller – und Aktien wirklich günstig – trauten sie sich nicht an die Börsen.

Ziehen Sie also, wenn Sie in Aktienindizes engagiert sind (ich bin es im Dow Jones und im SDAX) bei weiteren Kursgewinnen einfach konsequent Ihre Stopps nach. Und achten Sie darauf, wann Börsenkredite und Barreserven der Fonds den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg signalisieren. Und dann? Dann überlegen Sie, was aus Ihren realisierten Gewinnen werden wird, wenn Sie diesmal auch den Weg nach unten mitnehmen.

Zu diesem Zeitpunkt sollten Sie wirklich mal das Kind nach vorne lassen!

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

www.private-profits.de

 

 

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

Posted in: Marktanalysen

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

1 Comment on "Kredite für Aktienkäufe geben Warnsignal"

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  1. Ein sehr guter Beitrag für jeden, der sich im Aktienhandel auskennen und Psychologie des Marktes verstehen möchte.
    Danke!

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