KGV-Schnäppchen ThyssenKrupp bleibt ein heißes Eisen

Während die Aktien von Henkel, Beiersdorf, Adidas oder auch Bayer in diesem Jahr neue Rekordhochs markierten, fällt die Bilanz für ThyssenKrupp tiefrot aus – und zwar gleich doppelt. Die fundamentale und technische Analyse mit Investmentideen.

 

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Nicht nur das Zahlenwerk der Essener war negativ, auch die Performance der Aktie ist wahrlich kein Kaufargument. Aktuell gibt es den Stahlkonzern für rund 15,20 Euro. Zur Einordnung: Wer bereits 1994 Anteile am Blue Chip hielt, hat bis heute – ohne Berücksichtigung der meist mageren Dividende – über die reine Kursperformance keinen Cent verdient. Doch es kommt noch schlimmer, sofern man den falschen Zeitpunkt zum Einstieg wählte. 2007 und somit unmittelbar vor der Immobilien- und Finanzkrise stand der Wert am Zenit bei 46 Euro. Mitte 2011 scheiterte eine vielversprechende Erholung bei 35 Euro. Anleger, die zum falschen Zeitpunkt einstiegen und bis heute dem Wert die Treue hielten, sitzen somit auf Buchverlusten von 55 bis 65 Prozent. Immerhin: Einige Branchenkollegen wie ArcelorMittal oder Salzgitter schneiden im Performance-Ranking über die vergangenen sechs Jahre noch schlechter ab.

 

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13 oder 21 Euro?

Aber es gibt Hoffnung. Nach dem erneuten Abverkauf im Frühjahr hat sich die Stimmung bei der Analystengilde doch spürbar verbessert. Lediglich die Experten der NordLB bekräftigen nach den jüngsten Zahlen ihre Verkaufsempfehlung und sehen den fairen Wert bei 13 Euro. Die Kollegen der Deutschen Bank taxieren das Kursziel ähnlich wie Nomura auf 18 Euro. Jefferies sprach zuletzt eine Kaufempfehlung aus und siedelte das Kursziel bei 21 Euro an – rund 35 Prozent über dem aktuellen Niveau. Merrill Lynch beließ die Aktie in dieser Woche auf „Neutra“ bei 17,80 Euro.

Mutig, angesichts der zahlreichen Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Aber genau darin lauert auch eine große Chance. Denn sollte Thyssen seine Hausaufgaben machen, steht die Aktie vor einer Neubewertung.

Zumindest die Bilanz für das zweite Quartal fiel eher durchwachsen aus. Dem rückläufigen Umsatz um elf Prozent im Jahresvergleich auf nur noch gut 9 Mrd. Euro steht immerhin ein Book-to-Bill Ratio von 1,06 gegenüber. Anders formuliert: Das Verhältnis von Auftragseingang zu Umsatz signalisiert zukünftiges organisches Wachstum. Alle fortgeführten Einheiten steuerten positiv zum bereinigten EBIT von 241 Mio. Euro bei, was zugleich auch leicht über den Konsensschätzungen lag. Sorgen bereitet aber die hohe Verschuldung von 5,3 Mrd. Euro bei einer schwachen Eigenkapitalquote von nur noch 9,5 Prozent. Ende vergangenen Jahres lag der Wert noch bei 11,4 Prozent. Damit schnellt das Verhältnis von Schulden zu Eigenkapital, auch Gearing genannt, auf 148 Prozent. Anfang des Jahres senkte die Ratingagentur Moody’s die Kreditwürdigkeit von Baa3 auf Ba1. Damit hat der DAX-Konzern kein Investmentgrade mehr, zudem gab es noch den Ausblick negativ. Im Gegenzug dürfte die Refinanzierung nun teurer werden, und zwingt das Unternehmen wahrscheinlich zu einer Kapitalerhöhung. Zu Jahresbeginn wurden entsprechende Gerüchte noch dementiert, Mitte Mai hörte sich das schon anders an: „Wir können eine Kapitalerhöhung in den nächsten sechs bis neun Monaten nicht ausschließen“. Sollten hier die Fakten und genauen Konditionen auf den Tisch kommen, brauchen investierte Anleger gute Nerven. Hinter verschlossener Türe dürften die Verhandlungen jedenfalls sehr hitzig verlaufen. Denn mit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (AKBH) sitzt ein mächtiger Großaktionär mit am Tisch, der gut 25 Prozent der Anteile hält und mit Sicherheit gegen eine Kapitalerhöhung stimmen wird, wenn die Sperrminorität in Gefahr geraten sollte. Da die Finanzdecke der Stiftung Gerüchten zufolge kaum ausreicht, um bei der Ausgabe neuer Aktien dabei zu sein, bleiben eigentlich nur zwei Szenarien: Entweder fällt die Kapitalerhöhung nur sehr gering aus, oder Thyssen verliert seinen Übernahmeschutz – was wiederum den Kurs beflügeln könnte.

 

Milliarden-Deal in der Schwebe

Eine schon längst geschlossen geglaubte Problemstelle setzte der Aktie zur Wochenmitte zu. Läuft es schlecht, drohen dem Konzern weitere Abschreibungen auf das bereits zum Jahreswechsel verkaufte Edelstahlgeschäft. Der finnische Käufer Outokumpu hielt sich zwar bedeckt zu den Gerüchten, dass ThyssenKrupp auf einen Teil des gewährten Kredits von 1,25 Mrd. Euro verzichten soll. Recht wahrscheinlich müßen die Essener aber Abschreibungen auf das 30 Prozent Paket an Outokumpu-Aktien vornehmen. Bei Unterzeichnung des Deals lag der Wert bei 998 Mio. Euro, in der Thyssen-Bilanz steht es mit 457 Mio. Euro und der aktuelle Börsenwert liegt nur noch bei 320 Mio. Euro.

Kurzfristig entscheidend ist aber der Nachrichtenfluss mit Blick auf den laufenden Verkaufsprozess der beiden Stahlwerke in Amerika. Spekulationen, dass der Deal fast in trockenen Tüchern ist, sorgten bereits kürzlich für einen kleinen Kurssprung. Keine Frage, sollte das Management hier einen Erfolg vermelden, dürfte die Aktie einen ordentlichen Satz nach oben machen. Vielleicht kommt es auch ganz anders und Thyssen bleibt im Rahmen einer Dreierlösung engagiert. Die brasilianische Wirtschaftszeitung „Valor Econômico“ will erfahren haben, dass Thyssen rund 40 Prozent am Stahlwerk in Brasilien für 1,2 Mrd. Euro an den Stahlkonzern CSN sowie den Eisenerz-Giganten Vale abgeben könnte. Andere Quellen sprechen von einem Verkauf für 3,8 Mrd. Euro. Was fehlt sind endlich Fakten, nachdem die Anlagen mit einem Gesamtaufwand von 12 Mrd. Euro errichtet wurden und aktuell noch mit 3,4 Mrd. Euro in den Büchern stehen. Ein interessantes Detail lieferte der jüngste Quartalsbericht, in dem der Wert für Steel Americas um 683 Mio. Euro reduziert wurde. Eine krumme und zugleich sehr konkrete Zahl, die den Verdacht nährt, dass die Verhandlungen offenbar schon weit fortgeschritten sind.

Weit fortgeschritten ist Thyssen allerdings auch in der Disziplin, wenn es darum geht, einen schlechten Ruf zu haben. Als Beteiligter am Schienenkartell fordert die Deutsche Bahn von den ehemaligen Mitgliedern Schadensersatzforderungen von rund 850 Mio. Euro. Und der Gegenspieler ist nicht zu unterschätzen, denn ein Großteil der Zahlungen würde an den Bund fließen. Intern sieht es nicht besser aus. ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger gilt eigentlich als zurückhaltender Manager. Ende 2012 platzte ihm dann aber doch der Kragen: „Es gab bisher ein Führungsverständnis, in dem Seilschaften und blinde Loyalität oft wichtiger waren als unternehmerischer Erfolg“, sagte er. Solch markige Worte hört man sehr selten, erst recht aus der Führungsriege von DAX-Konzernen.

 

10jahres-KGV spricht für Einstieg

Unter rein fundamentalen Überlegungen kann die Aktie durchaus überzeugen. Auf Basis der Schätzungen liegt das 2014er Kurs-Gewinn-Verhältnis bei knapp unter zehn. Im Vergleich zum 10 Jahres-Durchschnitt (http://www.boersengefluester.de/?page_id=1782) von 15,4 erscheint die Aktie daher sehr attraktiv. Auch das Kurs-Buchwert-Verhältnis mit aktuell 2,1 weiß durchaus zu überzeugen. Die schlechte Nachricht: Von 1997 bis 2011 erhielten Anleger eine wenn auch nicht üppige Dividende. Angesichts des herausfordernden Umfelds wurde die Ausschüttung nun aber gestrichen. Recht skeptisch äußerte sich  auch der Wirtschaftsverband der europäischen Eisen- und Stahlindustrie, Eurofer, in seinem Ausblick 2013 / 2014. Schwierig sei vor allem die Situation auf dem Heimatmarkt und damit in der EU. Trotz Aufstockung von Vorräten ging die Stahlnachfrage im ersten Quartal nach unten. Bei zugleich robusten Importen aus Asien rechnet Eurofer mit rückläufigen Marktanteilen der europäischen Hersteller. Erst ab 2014 ist wieder mit einem moderaten Wachstum zu rechnen.

Für jeden Geschmack etwas

Bleibt zur abschließenden Beurteilung der Blick auf den Kursverlauf. Im kurz- bis mittelfristigen Chartbild auf Tagesbasis stoppte der Abverkauf im Frühjahr bereits bei gut 13 Euro und somit deutlich unter der langfristig entscheidenden Unterstützungszone zwischen 11,50 bis 12 Euro. Steigende Bewegungstiefs sind grundsätzlich positiv zu werten. Allerdings schafften es die Käufer noch nicht einmal, den Wert über die nächste horizontale Hürde und damit das 50 Prozent Fibonacci-Retracement der letzten Abwärtsbewegung um 15,60 Euro zu hieven. Bleibt eine Rückeroberung des Niveaus um 16 Euro aus, könnten schon bald eine Korrektur von rund elf Prozent bis zum Jahrestief bei 13,10 Euro einsetzen. Richtung Norden ist das Potenzial hingegen wegen des langfristigen Abwärtstrends bei aktuell 17,60 Euro und der massiven Hürde um 19 Euro sehr begrenzt. Erst oberhalb von 20 Euro würde die Aktie mit einem klaren Kaufsignal auf mittelfristiger Ebene sicherlich für Aufsehen sorgen und könnte in einem freundlichen Umfeld bis auf 23 Euro steigen.

Wer kurzfristig bearisch eingestellt ist, greift zu einem Knock-Out Bear der HypoVereinsbank (WKN HV912X). Der Abstand zum Basispreis / Knock-Out bei 16,69 Euro beträgt derzeit 14,3 Prozent, der Hebel liegt bei 6,7. Knackt die Aktie hingegen die Hürde um 16 Euro per Tagesschluss, bietet sich kurzfristig ein Knock-Out Bull der DZ Bank (WKN: DZL1XG) mit Basispreis und KO-Level bei 13,75 Euro an. Kursveränderungen werden aktuell mit dem Faktor  16,4 gehebelt.

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Wer hingegen direkt die Aktie handeln möchte, wartet mindestens den Sprung über den bereits erwähnten langfristigen Abwärtstrends bei rund 17,70 Euro ab. Hier bietet sich ein erster Teileinstieg auf der Long-Seite an, der mit einem Wochenschluss über 19,60 Euro und damit einem neuen Bewegungshoch ausgebaut werden kann. Mittel- bis langfristige Long-Positionen sind mit einem Stopp unter dem Vorjahrestief um 11,20 Euro abzusichern. Hält die Marke nicht, könnten schnell einstellige Kurse aufgerufen werden.

Fazit: Die langfristig aus charttechnischer Sicht eher mauen Aussichten decken sich somit recht gut mit der durchwachsenen fundamentalen Situation. Passende Produkte gibt es natürlich auf für Seitwärtsmärkte. Mutige greifen zu Inlinern, mit denen auch in trendlosen Phasen ordentliche Renditen erzielt werden können. Angepasst an die charttechnischen Unterstützungen und Widerstände offeriert die Societe Generale einen Schein mit Grenzen bei 11 und 22 Euro (WKN: SG30VW). Bleibt die Aktie bis Mitte Juni 2014 innerhalb der Range, steigt das Papier um 76 Prozent und wird zu 10 Euro ausgezahlt. Natürlich bietet sich im Erfolgsfall auch ein vorgezogener Verkauf an, da das Chance-Risiko-Verhältnis mit abnehmender Restlaufzeit abnimmt.

 

 

 

 

 

 

About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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