By 3. April 2014 Read More →

Der ideale Nährboden für den nächsten „Big Bang“

Was den Verbraucher und die Börse freut, versetzt die Notenbanken dieser Welt in kaum noch zu kaschierende Unruhe: Die Preise fallen! Steigende Preise bekämpft man mit Zinsanhebungen, nachgebende mit Zinssenkungen. Aber die Therapie scheint diesmal nicht mehr anzuschlagen.

Na also. Ich hatte Ihnen ja angekündigt, dass EZB-Chef Mario Draghi seine Weigerung, schon nur den Begriff „Deflation“ in den Mund zu nehmen, nicht mehr lange durchhalten werde. Nun naht die Stunde der Wahrheit. In Deutschland sind die Preise im März nur noch um 1,0 Prozent gefallen, nach der für die EZB ausschlaggebenden Berechnungsmethode (HVPI) der EU sogar nur um 0,9 Prozent. Und nach eben dieser Berechnungsmethode fiel die Teuerungsrate Spaniens im März auf minus 0,2 Prozent. „Überraschend“, wie Ökonomen betonten, was vermutlich ein vorgezogener Aprilscherz sein sollte. Damit befindet sich Europas viertgrößte Volkswirtschaft nun in der Deflation. Andererseits konstatierten besagte Ökonomen, dass das Land die Rezession überwunden habe.

Wahrscheinlich wurde der Begriff der Rezession irgendwann umdefiniert, als ich gerade nicht da war. Denn eine Arbeitslosigkeit von über 25 Prozent, eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent, sinkende Kaufkraft und dadurch bedingt sinkende Preise wurden früher als deflationäre Abtwärtsspirale bezeichnet.

Was den gesamten Euroraum betrifft, veröffentlichte Eurostat für März eine Inflationsrate von nur noch 0,50 Prozent. Damit ist so gut wie sicher, dass EZB-Chef Draghi am Donnerstag eine nochmalige Leitzinssenkung und/oder weitere Maßnahmen ankündigen wird, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Ob er das selbst glaubt, sei einmal dahingestellt. Von einem Leitzinsniveau von 4,25 Prozent 2008 hat die EZB bereits vier Prozentpunkte fortgenommen. Wie wir an der Wirtschaftsentwicklung erkennen, ganz offenkundig ohne Erfolg. Und nun soll ein Schritt von 0,25 Prozent auf 0,00 Prozent die Wende bringen?

Das ist wohl eher naiv als originell. Selbst im „reichen“ Deutschland ist die Kaufkraft der Verbraucher 2013 nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes gefallen, einfach weil die Einkommenszuwächse noch schwächer ausfielen als die ohnehin schon sehr niedrige Inflation. Und:

Wie Eurostat ebenfalls feststellte, ist die Bereitschaft der Banken, Unternehmen mit frischen Krediten zu versorgen, erneut gefallen. Auch hier konnte die EZB also bis jetzt nicht punkten. Dem stehen europäische Banken gegenüber, die nach aktuellen Zahlen 876,4 Milliarden Euro an faulen Krediten in den Büchern stehen haben. Und da die Gewinnmargen im Kreditgeschäft nach der Zinssenkungsorgie der Notenbank immer schmaler werden, nutzen die Banken das praktisch geschenkte Geld lieber zum „Zocken“. Der ganze irre Reigen aus zu viel zu billigem Geld und seine unausweichlichen Folgen läuft heute wieder so ab, als ob es 2007 – 2009 nie gegeben hätte. Und bald wird er möglicherweise noch um eine Variante bereichert.

Denn die EU plant die Auflage eines so genannten „blauen Sparbuchs“. Herausgegeben werden soll es von der Europäischen Investitionsbank EIB. Und wie EU-Binnenmarktkommissar Barnier in Brüssel kundtat, könnte dieses Sparbuch zum einen steuerbegünstigt und evtl. auch mit einer staatlich garantierten Rendite ausgestattet sein. Zweck der Übung:

1. Die EU will Anreize zum Sparen bieten. Wie bitte? Wenn Europa am Rande der Deflation steht und die Menschen zum Sparen animiert werden, dann wird sich Europa diesen Rand der Deflation sehr bald von der anderen Seite aus ansehen. Der IWF plant das genaue Gegenteil und will den Konsum zur Not „mit Negativzinsen „erzwingen“.

2. Das von den Sparern eingesammelte Geld soll in Unternehmenskredite fließen, die ja von den Banken immer spärlicher vergeben werden. Damit bestätigt die EU unmissverständlich, dass sich die Politik der EZB auf dem Holzweg befindet.

Ob man will oder nicht: Der Eindruck, dass die Verantwortlichen mittlerweile völlig im Dunkeln tappen, eher gegen- als miteinander arbeiten, ist nicht von der Hand zu weisen. Es läuft. Ja. Aber es läuft in die falsche Richtung. Und einen Grundfehler begeht die Politik nach wie vor: Sie unterschätzt das, was als gesunder Menschenverstand bezeichnet wird. Nur weil man ihn selbst vermutlich irgendwann irgendwo verloren hat und sich vor lauter Machtgefühl nicht mehr daran erinnert, wann und wo das war, bedeutet das ja nicht, dass es dem „kleinen Mann“ ebenso ergangen wäre.

Ohne dass der Durchschnittsbürger so genau benennen könnte, was denn am gegenwärtigen Geschehen alles schiefläuft, spürt er es doch instinktiv. Und er reagiert. Die Ankündigung weiterer Zinssenkungen und/oder anderer geldpolitischer Maßnahmen, das nur am Rande, ist ein Irrweg allererster Güteklasse. Avisiert man den Konsumenten, Häuslebauern oder Investoren, dass Geld bald noch und danach vielleicht noch einmal billiger zu haben sein wird, stellen sie evtl. geplante Käufe sinnvollerweise zurück. Ergebnis: Weiterer wirtschaftlicher Abschwung, weiterer Preisdruck auf die Unternehmen, dadurch Druck auf die Löhne, sinkende Einkommen – genau so verhindert man eine deflationäre Abwärtsspirale nicht, so heizt man sie an. Im Gegensatz zu Mario Draghi versteht das der „kleine Mann“. Aber:

Die Börsen werden jubeln, falls die EZB ihre Geldpolitik weiter lockert. Denn (nur) hier kommt das ultrabillige Geld an. Dass sich die zu erwartenden neuen Kurshochs dann immer weiter von der wirtschaftlichen Wirklichkeit entfernen, ist ja nicht ganz neu. „Überraschenderweise“ werden die Kurse dem dann irgendwann auch einmal Rechnung tragen. „Dr. Doom“ Marc Faber erwartet, dass beim nächsten Crash „Blut fließen“ wird.

Ob das stimmt, weiß ich nicht. Mit weniger Abwärtsdynamik als bei den letzten beiden Zusammenbrüchen des Marktes sollten Sie aber auch nicht rechnen. Aber noch nicht. Damit zum Status quo:

Wall Street: Weiter grüne Welle!

Wiederholt hatte ich Sie ja darauf hingewiesen, statt auf teils etwas verstörend wirkende Marktkommentare lieber auf die Charts zu achten. Denn nur hier zeichnet sich wirklich alles ab, was der Markt tut, unabhängig davon, ob dass nun in Ihren Augen „richtig“ oder „falsch“, vernünftig“ oder „unvernünftig“ ist.

Was die Ihnen ja bereits vertraute „Megaphon-Formation“ des Dow Jones im Monatschart betrifft, haben wir mit dem Quartalsultimo ebenfalls noch keine Abwärts-Indikation:

Denn aktuell befindet sich der Index lediglich rund 400 Punkte unterhalb der oberen Begrenzung dieser Chartformation. Aber: Die im Chart in Rot eingezeichnete, seit 2009 bestehende Aufwärtstrendgerade liegt ihrerseits nur knapp 400 Punkte unterhalb des aktuellen Kurses. Wird sie unterschritten, heißt es aufzupassen. Denn dann könnte sowohl der Zeitpunkt zum Ausstieg als auch der Moment gekommen sein, an dem der Aufbau lang laufender Puts ins Auge gefasst werden kann.

retz_0304_1

Achten Sie also zum einen auf die genannte Aufwärtstrendlinie des Dow Jones. Und zum anderen auf den die Entwicklung der Nachfrage nach Krediten zum Aktienkauf. Keine einzige der großen und wichtigen Trendwenden an der Wall Street in diesem Jahrhundert hat sich ohne ein entsprechendes Signal dieses Indikators ereignet.

retz_0304_2

Aktuell läuft er seit nunmehr drei Wochen auf seinem neuen Allzeithoch seitwärts. Der extreme Optimismus ist also ungebrochen. Und solange das so ist, sollte sich niemand gegen den Markt stellen, egal wie gut seine Argumente sind!

Gold: Ausbruch nach unten

In der vergangenen Woche hatte ich Sie auf die bearishe „Flagge“ im Gold-Chart aufmerksam gemacht. Diese Formation hat der Unzenpreis nun signifikant nach unten verlassen. Formal bedeutet das nichts anderes als ein neues Verkaufssignal. Und dazu passt es wie das berühmte i-Tüpfelchen, dass auch der Prozentsatz der bullish bestimmten Gold-Analysten exakt auf der seit vier Jahren bestehenden Abwärtstrendlinie nach unten eingeknickt ist.

retz_0304_3

Komplettiert würde das neue Baissesignal für die Dollar pro Feinunze fallen sollte. Der Aufbau neuer Puts wäre dann eine ausgesprochen viel versprechende Sache, zumal Sie mit einem engen Stopp arbeiten können!

EUR/USD: Abwärtswende voraus

Bei EUR/USD hatte ich Sie gewarnt, dem Ausbruch nach oben zu misstrauen. Keine acht Wochen mehr, und die Europawahl liegt hinter uns. Und wie es aussieht, werden die EU/Euro-Gegner dabei gewaltig punkten können. Hinzu kommt, dass sich die Zinssituation in den SA verschärfen, in Euroland hingegen weiter lockern dürfte. Allein dieser Zinsvorteil spricht für den Dollar und gegen den Euro. Noch haben wir kein Einstiegssignal. Lange darauf warten werden wir aber vermutlich auch nicht müssen. Wir sehen uns die Situation in der kommenden Ausgabe erneut an.

retz_0304_4

Und: Wundern Sie sich nicht, wenn nach den Europa-Wahlen wieder einige „überraschende“, unschöne Fakten auf den Tisch kommen – vor allem von Bankenseite …

ZUSAMMENFASSUNG

Die Entwicklung der Teuerungsrate im Euro-Raum zeigt immer deutlicher in Richtung Deflation, was die EZB so gut wie sicher zu weiteren geldpolitischen Lockerungen veranlassen wird. Die Kreditversorgung der Unternehmen hat davon bis jetzt nicht profitiert und das dürfte sich auch nicht ändern. Genutzt hat all das viele virtuelle neue Geld nur den Finanzmärkten. Und auch das dürfte sich nicht ändern.

Die sich dabei immer weiter öffnende Schere zwischen Realwirtschaft und ist der ideale Nährboden für den nächsten „Big Bang“ der Kurse. Noch ist es nicht soweit. Achten Sie auf die seit 2009 bestehende Aufwärtstrendlinie des Dow Jones und auf die Nachfrage nach Börsenkrediten.

Gold hat ein neues Abwärtssignal gegeben. Sollte Silber mit einem Unzenpreis unter 18,60 US$ unter das Juni-Tief letzen Jahres fallen, entstünde auch hier ein klares Verkaufssignal mit sehr interessanten Gewinnperspektiven.

EUR/USD wird nun „politisch“: In knapp acht Wochen finden die Europawahlen statt. Und das Ergebnis wird die Euro- bzw. EU-Skeptiker im Parlament so gut wie sicher kräftig stärken. Das dürfte dem Dollar ebenso nutzen wie die sich zu seinen Gunsten öffnende Zinsschere.

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

Comments are closed.

Werbung
Werbung banner ad
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch die weitere Nutzung der Seite www.chartanalysen-online.de stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.