By 18. Juni 2013 Read More →

Chancen wie auf dem Serviertablett

Charttechnischen Trendbrüchen sind die Aktienmärkte noch einmal von der Schippe gesprungen. Aber für die Bullen wird die Sache langsam gefährlicher. Kommt es zu Verkaufssignalen, stehen uns ein paar sehr lukrative Chancen offen.

 

 

 

Nullo actore nullus iudex – wo kein Kläger, da kein Richter. Schon am lateinischen Ursprung des Satzes ist unschwer feststellbar, dass diese Regel in der Juristerei ein ziemlich alter Hut sein muss. Und da das oberste deutsche Gericht in Karlsruhe nach der sgn. Dispositionsmaxime nicht selbst gegen die Bundesregierung vorgehen kann, wartet das BVergG halt wie das Huhn auf das Korn immer auf einen Kläger. Auch beim Thema Euro.

Zum Verdruss der Bundesregierung gibt es da nun tatsächlich ein paar lästige Körnerpicker, die zwar keineswegs gegen den Euro an sich, wohl aber all die vielen Vertrags- und Gesetzesbrüche im Zuge seiner „Rettung“ und vor allem gegen den gleitenden Übergang in eine totale Haftungsunion wenden, wie sie derzeit unter Billigung Berlins und des IWF von der EZB betrieben wird. Sehr zum Missfallen übrigens der Deutschen Bundesbank, deren Präsident Jens Weidmann alles andere als ein Euro-Gegner ist, sich aber vehement gegen rechtsmissbräuchliche Mittel zur „Rettung“ der Währung stemmt. In aller Kürze:

Erstens: No Bailout. Gerät ein Euro-Staat in finanzielle Schieflage, dürfen ihn die anderen daraus nicht befreien. Das steht im Maastricht-Vertrag. Und zweitens: Keine Staatsfinanzierung mittels Notenpresse durch die EZB: Die Europäische Notenbank darf keine Staatsanleihen aufkaufen. Und drittens: Das Budgetrecht über den deutschen Staatshaushalt liegt nicht bei der EZB oder dem ESM, sondern, so will es das Grundgesetz, beim deutschen Parlament. Für mich bedeutet das:

Weder Mario Draghi noch IWF-Chefin Lagarde noch Frau Merkel oder Herrn Schäuble nehme ich ab, dass sie tatsächlich nicht wissen, dass sie sich sowohl gegenüber dem Grundgesetz als auch im Maastricht-Vertrag als auch bei den Statuten des EZB auf der Seite des offenkundigen Rechtsbruchs bewegen. Die EZB ist für die Geldpolitik zuständig, nicht für die Finanzpolitik. Und schon einmal gar nicht für die „Beruhigung der Märkte“. Und ganz sicher auch nicht dafür, irgendwelche Kurse steigen und andere bloß nicht fallen zu lassen – und das alles unter dem Totschlagargument, „das Vertrauen der Märkte“ wiederzuerlangen. Niemand ist so dumm, sein Vertrauen in ein System zu setzen, das nur noch durch die Herz-Lungenmaschine der Notenpressen künstlich am Leben gehalten wird. Man zockt halt mit, solange es geht. Mehr nicht.

In den Köpfen zahlreicher Politiker sowohl in Berlin als auch in Brüssel wie auch in der EZB hat sich der Euro mittlerweile zu einem goldenen Kalb entwickelt, dem alles, aber auch wirklich alles andere unterzuordnen ist. Die eine Hälfte Europas in durch enorme Haftungsrisiken bedrohtem Reichtum, die andere in einer Armutsspirale, Bürgschaften und Rettungssummen nie gesehenen Ausmaßes, schleichender Schwund von Sparguthaben, Märkte, die zusammenzubrechen drohen, wenn sie nicht mit der Notenpresse aufgeblasen werden und immer noch größere und nun „unbegrenzte“ Haftungszusagen, klare Rechts- und Vertragsverstöße – das alles wird aufgeboten oder hingenommen, um bloß nicht die Konstruktionsfehler des Euro zugeben und korrigieren zu müssen.

Wer Europa wieder spalten will, der setzt diesen Kurs fort. Am Ende werden wir dann viererlei verlieren: Europa, den Euro, unser Volksvermögen und den sozialen Frieden. Vielleicht auch das, was von unserer Demokratie noch übrig geblieben ist. Hoffen wir auf Karlsruhe und die Deutsche Bundesbank.

 

NIKKEI: Codewort Kamikaze

Wie durch viel zu viel billiges Geld entstandene Blasen an den Immobilien- oder Finanzmärkten entstehen und welche Fehler man bei ihrer Beseitigung machen kann, dafür gibt es in der jüngeren Geschichte kein schöneres Beispiel als Japan, das in den sgn. Boom and Bust-Zyklus schon vor über 28 Jahren eingetreten ist, sich bis heute aber nicht aus ihm befreien konnte. Sehen wir uns zuerst einmal den Nikkei an:

Das zweifellos Beeindruckendste an diesem Chart ist natürlich die 1994/1985 gestartete Hausse, die den Nikkei in gut vier Jahren von 10.000 auf knapp 40.000 Punkte katapultierte.

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Vorbereitet wurde diese Hausse durch das sgn. Plaza-Abkommen zwischen den Vertretern der (damals noch) G-5-Staaten, indem sich die USA u. a. gegen die aus der Yen-Schwäche resultierenden Handelsnachteile wehrten und eine Aufwertung des Yen gegen den Dollar durchsetzten. Die Folge: Die japanischen Exporte kollabierten, während die angekündigte Aufwertung des Yen zu massiven Kapitalzuflüssen nach Japan führte. Und dann fing es an: Die japanische Notenbank senkte die Leitzinsen, um der Konjunktur wieder auf die Sprünge zu helfen. Der Wirtschaft half es kaum, wohl aber den Finanzmärkten, die einen Rekord nach dem anderen schrieben.

Mit dem Verstehen der Zusammenhänge tat sich die Bank of Japan leider etwas schwer. Und sie setzte ihre Niedrigzinspolitik weiter fort, bis der Leitzins erstmals 1999 bei null Prozent angelangt war. Als auch die der Wirtschaft nicht wirklich zurück auf den Wachstumspfad helfen konnte, folgten die ersten „unkonventionellen“ Maßnahmen wie Aufkäufe von Unternehmens- und Staatsanleihen.

Wie es weiter ging, wissen Sie. Und heute sitzt die japanische Notenbank in einer so genannten Liquiditätsfalle. Während unternehmerische Investitionen und Löhne/Einkommen seit Jahren sinken, muss die BoJ immer exzessivere Maßnahmen ergreifen, um marode Firmen und vor allem Banken zu stützen. Die Folge: Die Staatsverschuldung steigt und steigt, ob man sie nun in sgn.  Schattenhaushalten versteckt oder nicht. In diesem Jahr wird Japans Staatsverschuldung bei 250 Prozent des BIP erwartet – unter den großen Industriestaaten ein einsamer Spitzenplatz. Und all das frische neue Geld erzeugt lediglich Blasen an den Finanzmärkten, die dann regelmäßig platzen – und die Notenbank refl exartig zu noch größeren Liquiditätsexzessen zwingen. Ein Zurück ohne Inkaufnahme eines Kollapses gibt es nicht.

Wie Sie im Chart oben erkennen und vor allem auch an den Konjunkturdaten erkennen, hat das ganze Zinsspektakel Japans Lage nie wirklich verbessert. Und im Langfristchart sehen Sie auch, dass die letzte „beispiellose“ Hausse des Nikkei wieder einmal nur das war, was wir schon so oft erlebt haben. Ein phantastisches Feuerwerk, das aber nach allen heute verfügbaren Daten erneut nicht in der Wirtschaft angekommen ist. Und auch, wenn es zwischen Japan und der EU zweifellos erhebliche Unterschiede gibt, die einen Vergleich relativieren, wären die Verantwortlichen sehr gut beraten, sich den Präzedenzfall Japans einmal genauer anzusehen. Denn wirtschaftlich betrachtet, hat Japan jetzt zwei verlorene Dekaden hinter sich. Wachstum? Ja, das gab es auch. Aber nur bei den Schulden.

 

Wall Street: Angezählt

In den vergangenen beiden Wochen hatte ich unterstreichen, dass sich die Anleger an den Aktienmärkten jeden bearishen Aktionismus verkneifen sollten, solange der S&P 500 auf Tagesbasis seinen Aufwärtstrendkanal verteidigen kann. Hier der aktuelle Chart:

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Wie sie sehen, hat der Index dieses Kunststück bis jetzt fertig gebracht. Aber es bleibt eng. Sehr eng sogar. Denn die untere Begrenzung des charttechnisch fast perfekten November- Aufwärtstrendbandes liegt mit jetzt 1.607 gerade einmal rund 0,3 Prozent entfernt. Hier genügt nun wirklich ein ganz kleiner Funke, um die Wall Street von Hausse- auf Korrekturmodus einschwenken zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Dreh unmittelbar bevorsteht, ist ausgesprochen hoch.

Denn markttechnisch verdichten sich die Hinweise, dass der nun sieben Monate alten Aufwärtsbewegung die Puste ausgeht. Denn während der Trendfolge-Indikator MACD nur noch eine Handbreit von einem neuen Verkaufssignal entfernt ist, ist das Momentum bereits eindeutig unter alle während der Aufwärtsbewegung absolvierten Zwischentiefs gefallen. Die Bären können sich jetzt also schon einmal ein paar schöne Derivate heraussuchen.

 

Rio Tinto: Bärenfutter vom Feinsten

Den Chart des S&P 500 hatte ich als „fast perfekt“ bezeichnet. Der nachfolgende Chart steht dem aber in nichts nach. Und er verspricht eine nicht minder lukrative Perspektive.

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Hintergrund sind hier die Rohstoffpreise. Denn ein Teil all des vielen neuen Geldes, das die Notenbanken zur Ankurbelung der Wirtschaft in den Markt gepumpt haben, hat seinen Weg auch in die Rohstoffe gefunden, wenn auch in weit geringerem Umfang als an den Aktienbörsen. Rio Tinto, eines der größten Bergbauunternehmen der Welt, befindet sich dennoch jetzt am Rande einer charttechnischen Klippe.

Der Kurssturz der Aktie im Zuge der Finanzkrise war dramatisch: In nur sechs Monaten brach Rio Tinto um 89 Prozent ein. Seit Sommer 2010 geht es nun per Saldo seitwärts, wobei die Ausbruchsversuche nach oben immer schwächer ausfallen. Interessanter ist daher die Abwärtsseite. Und hier hat sich in den vergangenen drei Jahren bei 42 US-Dollar eine wirklich wunderschöne horizontale Unterstützung gebildet, von der der Kurs am Freitag nur noch gut drei Prozent entfernt war. Schaltet die Wall Street (s. S&P 500) auf Korrekturmodus um, bestehen ganz hervorragende Chancen dafür, dass Rio Tinto diese Auffanglinie nach unten durchbricht. Und dann ist eine Baissespekulation mit das Sicherste und auch Erfolgversprechendste, was derzeit auf den Kurszetteln der Börsen zu fi nden ist. An Derivaten gibt es auch hier wirklich für jedes Temperament etwas.

 

 

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

 

 

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

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