By 6. Januar 2013 Read More →

Zinsanhebungen sind das Gebot der Stunde

Voller Optimismus starteten die Börsen in das neue Jahr. Der Grund des Jubels: Der US-Kongress brachte keine Einigung zum Fiscal Cliff zustande und verschob das Thema um zwei Monate. Welch ein Durchbruch. Was die Weltwirtschaft betrifft, sieht das Bild ganz anders aus. Chancen bahnen sich derweil bei den Edelmetallen an.

Vermutlich kennen Sie das: Steckt man mitten drin im Wald oder in einem Problem, wirken die Schatten der Düsternis länger als sie tatsächlich sind. Und hat man erst einmal etwas Abstand gewonnen, bleibt vom vermeintlichen Problem vielleicht nur noch das Pro übrig. Geradewegs umgekehrt geht es zu, wenn die Stimmung bestens ist, allerorten Optimismus herrscht und warnende, von Zurückhaltung und Sorge geprägte Worte der Kanzlerin ihre Beliebtheit sogar noch weiter voran treiben: Probleme werden entweder gar nicht erkannt oder aber als Marginalien abgetan.

„Kannslerin“, wie ich unlängst in einem auch sonst von Fehlern strotzenden Blogbeitrag geschrieben fand, kommt vielleicht doch von „können“, und was die Selbstvermarktung betrifft, steht Frau Merkel einsam an der Spitze. Denn während sich die Zustimmung zur Politik der Koalition in Grenzen hält und Bayerns Ministerpräsident für seine abrupten Wendemanöver mangels jedweder staatsmännischen Ausstattung selbst aus den eigenen Reihen arge Schelte bezieht, kann Frau Merkel – auch beim Sorgenkind Euro – ihre Positionen seit Jahren wenden, wie sie mag, ohne dass der Masse der Wähler das Vertrauen ausgeht. Der Grund:

Die Langsamkeit des Krisenvorschubs und die ermüdende und abstumpfende Häufung immer neuer Krisen-, Sonder- und Spitzengipfel hat das Interesse an der Bewältigung der Euro-Krise, die ja viel mehr eine Schuldenund noch viel mehr eine Bankenkrise ist, so gut wie aufs Abstellgleis verrückt.

Apropos: Verrückt ist auch, dass die Anleger allen Ernstes die verschobene Einigung über den US-Haushalt als Erfolg feiern. Verrückt auch, dass sie am Freitag aufatmeten, weil die neuen Konjunkturdaten zumindest teilweise schlechter als erwartet ausfielen. Sicherlich: Die Nullzinspolitik scheint damit bis auf weiteres garantiert, aber wollen sich die Anleger wirklich in alle Ewigkeit darauf einlassen, dass nur schlechte Daten aus der Wirtschaft gute Daten für die Börse sind?

Wie es aussieht, sind sie in diesen Kurs geradezu vernarrt. Nicht die Rezession, sinkende Kaufkraft und Nachfrage und horrende Arbeitslosenquoten (ob offen ermittelt oder über „Minijobs“ kaschiert), sondern genau das, was früher der Treibsatz jeder Hausse war, dünkt den Anlegern heute als Schreckgespenst – nur weil eine Notenbank vielleicht auf die Idee kommen könnte, den Leitzins doch einmal wieder um ein Viertel Prozentchen anzuheben.

Was für eine Hausse soll denn das sein, in der die Anleger davor zittern, dass die Wirtschaft wieder Tritt fasst? An was glauben und klammern sich die Haussiers denn da? Und wie soll das zusammenpassen mit dem Versuch der Politik, auf Biegen und Brechen – und koste es, was es wolle – ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu erzwingen?

Das Eine bewegt sich an der Grenze des ökonomisch Nachvollziehbaren, das Andere erscheint auch nicht gesünder, erkaufen sich doch beispielsweise die USA jeden Dollar „Wachstum“ mit zwei Dollar neuer Schulden – und die Anleger jubeln, wenn sich die Politik unfähig zeigt, das Problem anzugehen.

Notenbanken: So geht es

Wie zuletzt immer deutlicher wurde, hat sich in der US-Notenbank mittlerweile ein tiefer Graben aufgetan. Kurz gesagt: Das Monopol der Vertreter der Nullzinspolitik bis zum jüngsten Tage oder auch darüber hinaus hat zu wanken begonnen. Für die Anleger, die der heute verbreiteten Marktlogik aufsitzen, ist das ein Alptraum. Ökonomisch aber lässt es hoffen, auch wenn die sgn. Lehrmeinung das zumeist anders sieht. Aber überlegen Sie einfach einmal, egal ob Sie Unternehmer sind oder auch nur potentieller Haus- oder Automobilkäufer: Wenn Sie sich völlig sicher sein können, dass die Kreditzinsen in einem oder zwei Jahren immer noch auf ihren historischen Tiefs stehen, warum sollten Sie dann heute investieren oder kaufen, wenn Sie Ihr Kapital genauso gut am von bullishen Prognosen nur so strotzenden Aktienmarkt anlegen können?

Wird aber nicht investiert und weniger konsumiert, wird es nun einmal auch nichts mit dem Aufschwung, was die Notenbanken zwingt, weiterhin bei der Politik des billigen Geldes zu bleiben, auch wenn sie damit das Ziel der Wirtschaftsbelebung nachgerade konterkariert und einen Kreislauf der wirtschaftlichen Stagnation und der Kapitalfehlallokation finanziert.

Ganz anders sähe das aus, wenn die Notenbanken, jede für sich oder meinetwegen auch in einer konzertierten Aktion, eine oder mehrere kommende Zinsanhebungen ankündigen würden: Unternehmer und Private würden sich sputen, sich die niedrigen Kreditsätze zu sichern, sie würden Investitionen und ins Auge gefasste Käufe nicht weiter auf die lange Bank schieben. Und damit genau das auslösen, was die Währungshüter mit ihrer heutigen Politk eben nicht schaffen: Nachfrage, einen Aufschwung und damit auch genau das Wirtschaftswachstum, das überschuldeten Staaten die Steuereinnahmen zur Begleichung ihrer Schulden bescheren würde.

Und wäre der Prozess erst einmal in Gang gekommen, würden die Ratingagenturen das Wachstum würdigen, ihre Rankings anheben und damit die Zinsbelastung für neue Kredite senken. Nicht Zinssenkungen, sondern die Ankündigung kommender Zinsanhebungen wäre also das Gebot der Stunde. Sie würden die Wirtschaft eben nicht „abwürgen“, sondern ihr ganz im Gegenteil Flügel verleihen. Hoffen wir einmal, dass sich die „Falken“ in den Notenbanken durchsetzen können. Ihre Beweggründe sind zwar ganz Andere, der erzielte Effekt – ein Aufschwung – würde sie aber bestätigen.

Doom-Party

Es war das „Prinzip Hoffnung“, das 2012 an den Aktienbörsen zu sehr ordentlichen Kurssteigerungen geführt hat. Den Notenbanken, so der Konsens, werde es schon gelingen, nicht nur die Währungen zu sichern, sondern auch die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen. Sieht man einmal von Deutschland ab, das vom Euro enorme innereuropäische Wettbewerbsvorteile hat, hat diese Strategie nicht funktioniert. Warum nicht, hatte ich ja bereits dargestellt. Dennoch wird in den Medien immer noch so getan, als ob der Aufschwung wenn nicht hinter der nächsten, so doch hinter der übernächsten Ecke warten würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Machen wir einen Kassensturz:

Gemeint ist der „HARPEX“, der vom Schiffsmakler Harper Peterson & Co berechnete, repräsentative Index für Charterraten auf den Weltmeeren. Anders als der Baltic Dry-Index ist er ein präzises Messinstrument für das aktuelle Volumen des Welthandels – und damit ein perfekter Indikator für den Zustand der Weltwirtschaft.

Und nun sehen wir uns einmal den Chart an. Die Kommentierung überlasse ich ausnahmsweise einmal Wikipedia: „Die Abschwächung der globalen Konjunktur, die  nachlassende Wirtschaftstätigkeit in China und die Verschärfung der Staatsschuldenkrise in Europa führten zu einem Einbruch der Containertransporte. Bis zum 15. Dezember 2012 fiel der HARPEX um 60,9 Prozent auf 352 Punkte. Und da befand er sich auch am vergangenen Freitag noch. Sieht man sich einmal an, wo der HARPEX noch im Sommer letzten Jahres stand, sollten auch die hartnäckigsten Optimisten vielleicht einmal über ihren Standpunkt nachdenken. Der „Aufschwung“, den wir sehen, ist – zumindest in den USA – ein teilweise statistisch manipulierter. Und hierzulande? Weniger Bankkredite für Unternehmen, zunehmende Anträge auf Kurzarbeit, die Arbeitslosenquote im Euroraum auf Rekordniveau, die deutsche Arbeitslosenquote nur durch die sgn. prekären Beschäftigungsverhältnisse schöngerechnet – das ist die Realität.

Ein boomender deutscher Aktienmarkt, der nur noch knapp unter seinen Allzeithochs steht, ist vor diesem Hintergrund eine sehr gewagte Wette, gerade auch, weil Deutschlands Wirtschaft extrem exportlastig ausgerichtet ist. Und sie mutet an wie eine Feier des Wirtschaftsabschwungs, weil ja dann die Notenbanken (s. o.) wieder und wieder die Geldspritze betätigen müssen, was (s. ebenfalls oben) diesen Wirtschaftsabschwung nur zementiert und damit letztlich auch den Aktienmärkten das Licht auszublasen droht.

Kritische Lage bei Gold und Silber

Abschließend für heute der erste diesjährige Blick auf die Edelmetalle. In meinen letzten Beiträgen zu Gold und Silber hatte ich unterstrichen, dass der als wichtigstes Argument für die Edelmetalle bemühte „Inflationsschutz“ nur für die wenigsten Anleger zustande gekommen sein dürfte – nämlich diejenigen, die einen Einstieg an wichtigen Tiefs erwischt haben.

Gemessen an der Ausweitung des „virtuellen Geldes“ durch die Notenbanken und der Explosion der Neuverschuldung zur Bekämpfung alter Schulden drängt sich die Frage auf, warum der Kursanstieg der Edelmetalle nicht weiter geht. Ein Grund – und der m. E. wichtigste dürfte darin zu sehen sein, dass vom von vielen an die Wand gemalten Gespenst der Hyperinflation selbst bei günstigsten Fernsichtbedingungen auf weiter Flur nichts zu sehen ist.

Im Gegenteil:

Japan zeigt nach wie vor deflatorische Tendenzen. Und für den „Rest der Welt“ sind es vermutlich einzig die von den Marktführern mit Rückendeckung der Regierungen (Steuereinnahmen!) gestiegenen Energiepreise, die bei den Inflationsraten überhaupt noch eine positive Zahl zustande bringen. Gold hatte sich zwar an einer Rückkehr in den seit Ende 2008 etablierten Aufwärtstrend versucht, die Bullen mussten aber rasch wieder den Rückzug antreten. Und geht der Unzenpreis unter die charttechnische Auffanglinie bei 1.600 USD/oz. zurück, winkt eine Beschleunigung der Abwärtsbewegung in Richtung 1.200 USDollar.

Und bei Silber, das sich bis jetzt noch solide oberhalb seiner langjährigen Aufwärtstrendgeraden halten und sich damit stabiler als Gold in Szene setzen konnte, steht nun gleich zum Jahresstart ein neuer Test der Hausselinie an. Die von mir hier beschriebene Chance, dass der Unzenpreis mit einem Anstieg über 36 US-Dollar den Startschuss in Richtung neuer historischer Bestmarken geben könnte, ist damit erst einmal vertan. Und fällt der Preis des Metalls jetzt an der LME (London Metal Exchange) unter die im Chart eingezeichnete Aufwärtstrendgerade zurück, ist auch die potentiell sehr bullishe Wegweisung des großen charttechnischen Wimpels definitiv vom Tisch. HARPEX und die Charts der Edelmetalle sprechen aus heutiger Sicht dafür, dass sich der Markt entgegen aller grassierenden Inflationsszenarien heute eher auf ein deflationäres Szenario einzustellen beginnt.

Sollte sich das bewahrheiten, stehen die Notenbanken, die ihr Geld sinnlos in einen falsch angefangenen Versuch zur Stimulierung der Wirtschaft verprasst haben, so gut wie mit leeren Händen dar. Anleger, die dem Haussespektakel an den Aktienmärkten skeptisch gegenüber stehen, sollten daher überlegen, bei einem Abwärtsbreak der Edelmetalle unter die genannten Unterstützungen einmal einen Trade auf die Edelmetalle zu versuchen. Kommt es zu einer Abwärtsbeschleunigung – und davon gehe ich aus – werden Sie sich wundern, wieviel Potential hier schlummert!

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

www.private-profits.de

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

Posted in: Gastbeiträge

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

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