Premiere beim Dow nach 118 Jahren – Party mit Schönheitsfehlern

Nach einem schwachen Jahresauftakt scheint der US-Arbeitsmarkt eine unerwartet hohe Dynamik zu zeigen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer Leitzinserhöhung in der ersten Jahreshälfte 2015. Es lohnt sich aber, etwas genauer hinzuschauen.

 

Während der Dow Jones gestern mit Bravour die 17.000er-Schwelle nahm, reichte es beim S&P noch nicht ganz bis zur 2000er-Marke, zum Handelsschluss am Donnerstag fehlten noch 15 Punkte. Aus dem technischen Blinkwinkel betrachtet wird die Sache sehr knapp, eine obere Trendlinie begrenzt knapp darunter die Avancen der Käufer.

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Hauptgrund für den starken Aufwärtsimpuls am Donnerstag waren die US-Arbeitsmarktdaten. Auf den ersten Blick, und so steht es auch nahezu in allen Börsenberichten, deuten die Zahlen auf ein robuste US-Konjunktur. Die Wachstumsschwäche des ersten Quartals scheint überwunden, die Erholung nimmt an Fahrt auf. Im Juni wurden 288.000 Stellen geschaffen, deutlich über den Erwartungen von 215.000. Zugleich wurden die beiden Vormonate um 30.000 nach oben revidiert. In den vergangenen fünf Monaten wurden stets Beschäftigungszuwächse von mehr als 200.000 Stellen gemeldet, die längste Serie seit Sept. 1999 bis Januar 2000. Die Arbeitslosenquote sank von 6,3 Prozent auf 6,1 Prozent. Damit ist die Quote nicht mehr weit von den 5,5 Prozent entfernt, die die Fed-Mitglieder als „natürlich“ bezeichnen“.

Bei so beeindruckenden Zahlen hätte man eigentlich erwarten können, dass die Börsen eher nach unten kippen. Schließlich steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed früher als bisher erwartet an der Zinsschraube drehen könnte. Tatsächlich  zuckten die Kurse kurz nach Veröffentlichung der Zahlen Richtung Süden, anschließend setzte sich aber die Hoffnung auf eine konjunkturelle Wende durch. Hier drängt sich nun eine entscheidende Frage auf: Sehen wir aktuell bereits den Übergang von einer liquiditätsgetriebenen in eine konjunkturell getriebene Rally? Keine Frage, natürlich sind Kursgewinne auf Basis einer gesunden Konjunktur die zu steigenden Unternehmensgewinnen führt deutlich „gesünder“ und nachhaltiger als eine durch billiges Notenbankgeld untermauerte Hausse. Wünschenswert wäre ein sanfter Übergang, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass dieser Wechsel wirklich  so sanft gelingen wird. Aktuell dürfen die Bullen noch eine perfekte Ausgangslage genießen. Die besseren Konjunkturdaten werden flankiert von Notenbanken, die den Fuß auf dem Gaspedal halten.

Fest steht aber auch, dass die Märkte, egal auf welche Anlageklasse man schaut, in den vergangenen Jahren durch die ultralaxe Geldpolitik massiv in ihrer Bewertungsfunktion verzerrt wurden. Dazu reicht bereits ein Blick auf die Unternehmensanleihen im risikoreichen Segment oder die Rendite der Euro-Peripheriebonds. Mindestens ebenso beeindruckend ist auch  der Effekt der Fed-Sitzungen auf die Aktienmärkte. Schauen Sie sich dazu bitte den Vergleichschart an von S&P 500 mit und ohne Berücksichtigung eines 24-Stunden-Zeitfensters vor den Notenbank-Entscheidungen (Link).

Nachdenklich stimmen dabei besonders die jüngsten Ausführungen von Fed-Chefin Janet Yellen. Ihrer Meinung nach lassen sich Übertreibungen an den Finanzmärkten nicht mit dem Mittel der Zinspolitik bekämpfen, sondern nur durch mehr Regulierung des Finanzsektors. Bereits der Hinweis, dass die Zentralbanken noch mehr Autorität offenbar einfordern, lässt die Alarmglocken schrillen. Gerade die Liquiditätspolitiken der größten Notenbanken verschärfen wesentlich die Exzesse an den Finanzmärkten. Denn das billige Zentralbank-Geld wird nicht zur Vergabe von Krediten verwendet, sondern fließt in kaum noch rentierliche Anlageformen. Es dürfte klar sein, dass bei einer Normalisierung der Geldpolitik neue Turbulenzen auftreten. Zinserhöhungen rücken somit weiter in die Zukunft.

Abschließend noch einige Daten, die gestern offenbar kaum von Interesse waren, Sie aber zum Nachdenken anregen sollen. Während an den Aktienmärkten die Kurse nach oben kletterten, fielen die Renditen im 10jährigen Bereich nach einer ersten Aufwärtsbewegung auf ihr Ausgangsniveau zurück. Steigende Aktienkurse bei gleichzeitig fallenden Renditen, das passt nicht so ganz zusammen. Es scheint eher so, dass der Bond-Markt offenbar genauer den US-Arbeitsmarktbericht gelesen hat und die Aktien-Jungs nur die Überschrift.

Tatsächlich liefert der Arbeitsmarktbericht auch wenig erfreuliche Daten. So ist die Anzahl der Vollzeitstellen im Juni um 523.000 gesunken, im Gegenzug schoss der Wert im Niedriglohn- und Teilzeitsektor um 799.000 nach oben. Dies ist der größte Zuwachs auf monatlicher Basis seit 1993. Letztlich ist für das Wirtschaftswachstum natürlich nicht die Anzahl der geschaffenen Stellen wichtig, sondern vor allem die Qualität. Eine starke Lohndynamik kann so nicht aufkommen, entsprechend sank auch die Jahresveränderungsrate von 2,1 auf zwei Prozent.

Quelle: markt-daten.de

 

Nicht minder „beeindruckend“ bleibt auch die Entwicklung von Beschäftigungs- (Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung)- und Erwerbsquote (Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung inkl. der Erwerbslosen) – wir liegen unverändert auf einem ähnlichen Niveau wie vor 34 Jahren.

Quelle: markt-daten.de

Quelle: markt-daten.de

About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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