By 22. Mai 2018 Read More →

Realzins steuert die Richtung an den Finanzmärkten

Die Rendite einer 10jährigen deutschen Staatsanleihe notiert aktuell bei 0,58 Prozent. Kauft man eine solche Anleihe und hält sie bis zur Endfälligkeit, beträgt die jährliche Verzinsung 0,58 Prozent. Den dem Finanzminister geliehenen Betrag erhält man nach 10 Jahren vollständig zurück – unter der Annahme, dass die Bundesrepublik zahlungsfähig bleibt.

 

Der nominale Zins beträgt 0,58 Prozent pro Jahr. In einer Phase der Deflation kann ein solcher Zinssatz ganz ok sein. Kommt es allerdings zu einer Inflationsrate, die über 0,58 Prozent liegt, verliert man real Geld. Deshalb ist die Angabe eines Realzinses für die Wirtschaftskraft von Individuen oder vom Staat von großer Bedeutung.

 

Die Ermittlung einer Inflationsrate hängt stets von Warenkorbinhalten und Messverfahren ab. Die Hedonik spielt in Europa keine Rolle, auf 99% der Warenkorbinhalte wird sie nicht angewendet. In den USA zeigt sich die Hedonik hauptsächlich bei den kalkulatorischen Mieten (25%-Warenkorb-Position), der Rest sind unbedeutsame Posten unter drei Prozent.

 

Allerdings beruhen die Daten zur kalkulatorischen Miete auf einer Selbsteinschätzung und werden nur zweimal pro Jahr erhoben. Deshalb stehen sie statistisch auf wackeligen Füßen. Die Selbsteinschätzung der Eigentümer führt häufig zu höheren Werten, als tatsächlich auf dem Markt zu erzielen ist. Wir nehmen deshalb – im Gegensatz zu beispielsweise Shadowsstats.com an -, dass die Hedonik in der US-Inflationsrate nahezu keine Rolle spielt. https://www.bls.gov/opub/mlr/2006/05/art2full.pdf

 

Die Berechnung einer Inflationsrate, die der Realität nahekommt, wird stets umstritten bleiben. Allein schon deshalb, weil Kaufkraft und Präferenzen der einzelnen Verbraucher unterschiedlich sind. Ein Wechsel vom Discounter zum Biomarkt ist in der Regel mit einem Anstieg der Ausgaben verbunden, entsprechend ist die gefühlte Inflation höher.

 

Die von Eurostat angegebene deutsche Inflationsrate lag im April bei 1,4 Prozent. Der reale Zinssatz für 10jährige deutsche Staatsanleihen beträgt somit -0,8 Prozent (Realzins = Nominalzins – Inflationsrate). Notiert die Inflationsrate höher als die Rendite eines Investments oder einer Sparanlage, so verlieren Anleger Kapital. Für Deutschland gilt derzeit: Je kürzer die Laufzeit, desto negativer ist die Realrendite (folgender Chart).

Risiken werden normalerweise bezahlt. Leiht man dem Staat für 30 Jahre einen Teil seines Kapitals, damit er damit wirtschaften kann, belohnt der Staat dies mit einer höheren Rendite. Den Betrag hätte man ja schließlich in Aktien oder Immobilien investieren können, es entstehen also Opportunitätskosten. Aber selbst die Realrendite einer 30jährigen Laufzeit ist derzeit negativ.

Auf dem folgenden Chart bilden wir den nominalen und den realen Zinssatz gemeinsam ab. Während der nominale Zinssatz der 10jährigen Staatsanleihen nur im Frühjahr 2016 kurz ins Minus lief, brach der Realzins bereits im Jahr 2011 die Null-Linie.

Seit zwei Jahren hält sich die deutsche Realrendite permanent im negativen Bereich auf.

In den USA ist die Situation anders. Die Realrendite ist in den Laufzeiten ab 2 Jahren positiv, weil dort die Zinsen höher sind als die Inflationsrate.

Der Realzins spielt bei der Ermittlung und Prognose von Währungsrelationen eine große Rolle. Die Entwicklung des Euro/Dollar-Kurses lässt sich historisch gut mit der Realzins-differenz zwischen Deutschland und den USA in Einklang bringen.

Natürlich ist die Korrelation nicht eins zu eins, das wäre zu einfach. Aber der Euro/Dollar scheint in vielen Fällen der Realzinsdifferenz zu folgen oder mit ihr zu laufen. Wenn man ahnt, wie sich der Realzinsdifferenz entwickeln wird, kann man eine Prognose für den Euro/Dollar ableiten. Die Problematik liegt darin, vier unbekannte Faktoren einschätzen zu müssen (Inflation D/USA, 10jährige Rendite D/USA). Wir sind der Meinung, dass die Inflationsrate in Deutschland in den kommenden Monaten etwas stärker ansteigen dürfte als in den USA (bisher war es umgekehrt). Dies spräche dafür, dass der Euro/Dollar weiter fällt, vorausgesetzt die Renditen in Deutschland und USA halten in etwa ihren Abstand.

Zuletzt sei noch darauf verwiesen, dass sich der Goldpreis invers zum US-Realzins entwickelt. Wir stellen dies in nachfolgender Grafik dar.

Sollte der Realzins negativer werden (also auf dieser Grafik steigen), dann würde der Goldpreis ebenfalls Luft nach oben haben. Auch hier ist die Korrelation nicht eins zu eins. Wir haben jedoch den gesamten Zeitraum seit 1970 untersucht und eine Wahrscheinlichkeit von etwa 75 Prozent gefunden, dass Goldpreis und der inverse US-Realzins in die gleiche Richtung laufen. Das bedeutet: Solange die Inflationsrate stärker steigt als die Rendite 10jähriger US-Anleihen, ist ein Goldpreisanstieg wahrscheinlich. Eine stärkere Rendite relativ zur Inflationsrate setzt hingegen den Goldpreis unter Druck.

Letzteres geschah in den vergangenen Wochen. Wir nehmen an, dass die US-Inflationsrate bis zum Sommer auf oder knapp über die 3-Prozent-Marke steigen wird. Solange die Rendite 10jähriger US-Anleihen zu jenem Zeitpunkt nicht höher als 3,3 Prozent notiert, sollte der Goldpreis unterstützt sein. Schon eine Rendite von 3,5 Prozent würde jegliche Hoffnung auf einen Goldpreisanstieg zunichtemachen.

 

Robert Rethfeld
Wellenreiter-Invest

P.S. Ein kostenloses 14tägiges Schnupperabonnement erhalten Sie unter www.wellenreiter-invest.de

About the Author:

Robert Rethfeld betreibt die Internetseite Wellenreiter-Invest. Kernprodukt ist ein handelstäglich erscheinender Börsenbrief. Auch ein kostenloses 14-tägiges Schnupperabonnement ist möglich. Die Aufmerksamkeit gilt Langfristentwicklungen, Zyklen und saisonalen Mustern sowie der Verschiebungen des smarten Geldes. Zusätzlich werden die Positionierungen der kommerziellen Händler und Großspekulanten analysiert („CoT-Daten“). Rethfeld ist TV-Interviewpartner und Mitglied der Vereinigung technischer Analysten (VTAD). Er lebt im Vordertaunus, wo er sich als Vorsitzender einer Freien Wählergemeinschaft kommunalpolitisch engagiert.

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