By 15. April 2014 Read More →

Nachfrage nach Börsenkrediten – ein Trend wie im Bilderbuch

Begleitet von einem riesigen Medienrummel und durch die Bank positiven bis euphorischen Kommentaren hat sich Griechenland am Donnerstag nach vier Jahren Abstinenz mit einer fünfjährigen Anleihe erfolgreich am Kapitalmarkt zurück gemeldet. Sollten Sie mitfeiern?

Warum eigentlich nennt man einen HNO-Mediziner einen „Hals-Nasen-Ohren-Arzt?“ Er kümmert sich um Hälse, Nasen und Ohren. Und ginge es bei dieser Begriffsfindung um den einzelnen Patienten, habe ich bis jetzt noch niemanden getroffen, der mehrere Nasen gehabt hätte. Womit ich beim nettesten mir bekannten Kurzwitz bin, den ich kenne: „Kommt ein Zyklop zum Augearzt.“

Wer sich in der griechischen Mythologie so gar nicht auskennt, sieht statt des Witzes nur einen vermeintlichen Rechtschreibfehler. Aber wer den Witz versteht, weiß um den Einäugigen. Mit einem Auge sieht man nur zweidimensional. Dass Sie das beim Schließen eines Auges vielleicht nicht so empfinden, liegt an einer ausgeklügelten Ergänzungsfunktion unseres Gehirns.

Der Zyklop ist angesichts der an den Märkten, von den Medien und von der Politik gefeierten Rückkehr Athens an den Kapitalmarkt noch ein vergleichsweise moderater Fall. Vor seiner Blendung durch Odysseus, für den der ganze Trouble damit erst anfing, hatte der Riese zumindest ein sehendes Auge.

Ob die Troika aus EU, IWF und EZB überhaupt noch sehende Augen haben, sei dahin gestellt. Die EU zittert momentan der Europawahl entgegen und scheint sich in einer Art Schockstarre zu befinden, IWF-Chefin Lagarde zeigt sich tief besorgt über die nur noch bei 0,5 Prozent liegende Teuerungsrate der Eurozone und drängt die EZB ausdrücklich zu weiteren geldpolitischen Maßnahmen, während Mario Draghi das Problem weiterhin klein zu reden versucht.

Natürlich sollte erwartet werden können, dass sich die Köpfe der Troika zumindest darüber einig sind, ob der Euroraum nun in Richtung Deflation unterwegs ist oder nicht. Aber weit gefehlt. Denn schließlich kann nicht sein, was nicht sein darf. Aber warten Sie einfach einmal auf die nächsten Zahlen. Auch Mario Draghi wird die Augen nicht mehr lange vom drohenden Umgemacht abwenden können.

Dass die Kombination aus Schuldenexzess, Niedrigstzinsen, Austerität und steigender Arbeitslosigkeit nicht zur Inflation, sondern geradewegs in eine deflationäre Abwärtsspirale führen muss, ist eine Perspektive, die ich in meinem „Kapitalschutz-Brief“ schon seit Jahren skizziere. Und umso länger die Verantwortlichen den Kopf in den Sand stecken, umso unschöner wird das Kommende werden.

Aber es gibt auch Themen, bei denen sich EU, IWF, EZB völlig einig sind. Beispielsweise bei der Beurteilung der Lage in Griechenland. Denn nicht nur in Athen feiert man seit Donnerstag die mehrfach überzeichnete Platzierung neuer fünfjähriger Staatsanleihen am Kapitalmarkt. Der breite Konsens lautet, dass die Anleger nun wieder Vertrauen in die griechische Wirtschaft gefasst hätten und dass das Land vor einem neuen Aufschwung stehe.

Die EU-Kommission hat die Kunst des Pfeifens im Walde mittlerweile zu einem periodisch wiederholten Beruhigungsritual ausgebaut, das sich beharrlich weigert, die tatsächliche Entwicklung auch nur zur Kenntnis zu nehmen

Dabei lohnt sich auch ein Blick auf die Staatsverschuldung einiger Euro-Länder in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zum besseren Verständnis: Im Sommer 2007 tauchten die ersten Meldungen über eine „kleine“ Verwerfung am US-Subprime-Hypothekenmarkt auf.

Seitdem haben sich die Verantwortlichen regelrecht den Wolf gerettet und immer wieder betont, dass die Schuldenkrise ihren Zenit überwunden habe und man auf „einem guten Weg“ sei. In Anbetracht der abgebildeten Kurve kann man da durchaus eine andere Meinung vertreten.

Eine andere Meinung als Athen und der IWF haben momentan auch EZB und die europäische Statistikbehörde Eurostat. Denn während Erstere für Griechenlands Staatshaushalt 2013 jetzt einen sgn. Primärüberschuss von 2,5 Mrd. Euro ausweisen, haben Letztere allein für die ersten drei Quartale des Jahres ein Primärdefizit in Höhe von 18 Mrd. Euro berechnet. „Offiziell“ darf das aber nicht so sein, denn die Auszahlung weiterer „Hilfsgelder“ ist an die Bedingung eines Primärüberschusses geknüpft. Hast Du keinen, mach Dir einen. Denn bald sind ja Europawahlen.

Abgesehen von Irland, wo sich die Situation am Arbeitsmarkt seit 2012 leicht entspannt hat, weist die Entwicklung der Arbeitslosenquoten in den „Krisenländern“ nicht einmal ansatzweise in die richtige Richtung. Und da die Löhne, Renten usw. in vielen dieser Länder dem Haircut der sgn. Reformen unterzogen wurden, bedarf es lediglich einer einfachen Milchmädchenrechnung, um zu verstehen, dass die Kaufkraft und damit auch die Wirtschaft nicht in die Gänge kommen kann.

Aber auch das lässt sich natürlich als „Verbesserung“ interpretieren. So weist die EU ja ausdrücklich darauf hin, dass sich die Leistungsbilanz vieler Krisenländer verbessert habe. Das stimmt auch. Nur muss auch einmal gesehen werden, was dahinter steht. Sinken die Importe (einfach weil man sie sich nicht mehr leisten kann) bei steigenden, gleich bleibenden oder weniger stark rückläufigen Exporten, verbessert sich der Leistungsbilanzsaldo. Das „Gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichtsverfahren der Europäischen Union“ (ja, das gibt‘s wirklich) verkauft diese traurige Entwicklung dann als Erfolg.

Dass Athen die erfolgreiche Rückkehr an den Kapitalmarkt gelang, dürfte nach dem gerade Vorgestellten ganz bestimmt nicht daran liegen, dass hier irgendjemand an den Phoenix aus der Asche glaubt. Aber da ESM und EZB ja für die Schulden eines Eurolandes gerade stehen und das theoretisch auch in unbegrenzter Höhe, können Banken hier bedenkenlos zugreifen. 0,25 Prozent zahlen sie bei der EZB für frisches Geld. 5 Prozent gibt‘s in Griechenland. Und die EZB steht für diese Anleihen gerade. Ebenso gut könnte die Notenbank den zu erwartenden Zinsertrag auch gleich an die Banken überweisen. Aber da das nun einmal verboten ist, verpackt man es in ein legales Anleihegeschäft, dessen Risikoseite über EZB und ESM letztlich entgegen aller Beteuerungen ausschließlich beim Steuerzahler liegt.

Spaßigerweise lamentiert genau diese EZB dann im tiefen Ton des Bedauerns, dass die Banken zu wenig Kredite an die Wirtschaft vergäben, wo die Notenbank doch alles versuche, um die Konjunktur wieder auf Trab zu bringen. Aber mal ehrlich:

Wer sollte so dumm sein, sich auf ein ausfallgefährdetes Kreditgeschäft einzulassen, wenn er anderswo für 0,25 Prozent Geld leihen und damit 4,75 Prozent rundum abgesicherte Sorglosrendite kassieren kann? Und damit das Ganze auch noch lange so bleibt, wäre es gar nicht gut, wenn Griechenland tatsächlich den Turnaround schaffen würde.

Wer weiß, ob und wer sich dieses böse Spiel ausgedacht hat. Wie hat es Ex-US-Präsident George Bush einmal so schön formuliert: „Wenn das amerikanische Volk wirklich wüsste, was wir getan haben, dann würde man uns die Straße hinunter jagen und lynchen.“ Aber das ist ein anderes Thema für bald einmal.

NASDAQ 100: Trendbruch bestätigt

In der vergangenen Woche hatte ich betont, dass es an der Hausse der Wall Street nichts zu bemäkeln gibt. Aber ich hatte Sie auch auf das „Haar in der Suppe“ hingewiesen, den Nasdaq 100, der technisch angeschlagen wirkte.

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Wie Sie sehen, kam diese Warnung zum rechten Zeitpunkt. Denn in den letzten fünf Handelstagen ist die seit Juni letzten Jahres bestehende, sehr steile Aufwärtstrendgerade massiv nach unten durchbrochen worden. Und:

Blättert man sich durch die 100 Einzelwerte des Index, fällt eine Vielzahl von Aktien auf, die sich bereits um 20 oder 30 Prozent von ihrem Hoch entfernt haben. Dass das dem NASDAQ 100 nicht stärker zugesetzt hat, liegt einzig an der noch überdurchschnittlich hohen relativen Stärke von bei der Berechnung des Index aufgrund ihrer Marktkapitalisierung hoch gewichteten Werte wie Microsoft, Cisco oder Intel.

Natürlich besteht jederzeit die Chance einer Kurserholung. Aber das hier sieht nicht so aus, als ob es schon vorüber wäre. Weitaus wahrscheinlicher erscheint, dass der Kurs in den kommenden Wochen die untere Begrenzung des im Frühjahr 2009 begonnenen Aufwärtstrendkorridors testen wird. Und erst dort entscheidet sich, ob die Bären sich Hoffnung auf mehr machen dürfen oder nicht.

Opimismus ungebrochen

Was die US-Konjunktur betrifft, hat Janet Yellen genau das Richtige – und längst Überfällige – getan. Etwas, das in Notenbankkreisen leider bis heute kaum verstanden wird. Sie hat die Leitzinsen zwar nicht angehoben, aber sie hat diese Anhebung in Aussicht gestellt. Genau so kann man versuchen, die Wirtschaft wieder anzuschieben. Denn mit der Aussicht auf bald teurer werdende Kredite und Hypotheken lockt man Konsumenten und potentielle Hauskäufer aus der Reserve. Mit der Ankündigung bald vielleicht noch billigeren Geldes erreicht man das Gegenteil, wie sich gerade im Euroraum zeigt.

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Ob der Schachzug aufgeht, wird sich zeigen. Die Anleger zumindest haben die momentan noch sehr günstigen Kredite beim Schopf ergriffen und die Nachfrage nach Börsenkrediten zum Kauf von Aktien in dieser Woche auf ein neues Allzeithoch gehievt. Bedenkt man, dass es seit der Jahrtausendwende nicht eine einzige wirklich bedeutende Auf- oder Abwärtswende der Wall Street gegeben hat, die nicht von einer Wende der Nachfrage nach Wertpapierkrediten begleitet worden wäre, besteht momentan noch kein Grund für aufgeschreckten Aktionismus. Die Kursentwicklung des der gesamten Wall Street in der Regel etwas voraus laufenden NASDAQ 100 lässt es aber angeraten erscheinen, alle bestehenden Positionen durch einen Stopp abzusichern. Und das gilt nicht nur für solche Trades, die sich in der Gewinnzone befinden.

DAX: Noch im grünen Bereich

Für den DAX bleibt es bei der Aussage der Vorwoche, die ja auch die Aussage vieler, vieler Jahre ist: Solange der Dow Jones nicht auf die Verkaufsseite wechselt, wird unser Aktienbarometer das auch nicht tun.

Die in dieser Woche wieder zahlreicher gewordenen bullishen Prognosen für die deutsche Wirtschaft – nun ja. Fast einhellig wird davon ausgegangen, dass sich die Auslandsnachfrage etwas abkühlen wird, die Binnennachfrage aber umso stärker anzieht.

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Was die Binnennachfrage betrifft, erinnern diese Prognosen stark an o. g. Prognosen der EU zur Wirtschaftsentwicklung Griechenlands. Alle Jahre wieder. Und immer sind es die gestiegenen Reallöhne, auf die verwiesen wird. Dumm nur, dass sie 2013 nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes 2013 gar nicht gestiegen sind, sondern leich rückläufig waren. Hinzu kommt, dass sich die Sparquote seit einigen Monaten wieder im Aufwind befindet. Kehren sich diese Trends nicht um, müssen die Erwartungen an die Binnennachfrage tiefer gehängt werden.

Kurzfristig geht es im DAX um die Frage, ob sich der Momentum-Indikator über 100 behaupten kann und ob der Kurs die 9.000er Marke verteidigt. Schafft er das, bleibt die Börsenampel auf Grün. Wer auf Nummer sicher gehen will, bleibt dennoch bremsbereit, d . h. er setzt schützende Stopps!

Vorsicht ist besser als das Nachsehen zu haben

Sieht man sich an, mit welch immer durchsichtigeren und hilflos wirkenden Methoden die Verantwortlichen die Krise zu managen versuchen, und dass sie dabei zu immer unseriöser wirkenden Verfahren greifen, sollten bei jedem Sparer die Alarmglocken schrillen. Dass der IWF den Vorschlag einer einmaligen, mindestens zehnprozentigen Vermögensabgabe zur Lösung der europäischen Schuldenkrise im Nachhinein relativierte, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Projekt ja unverändert weiter ausgearbeitet wird.

Wenn es einmal dazu kommt, dann natürlich am Wochenende. „Bankeinlagen sind eine sensible Sache, daher macht man es am Wochenende.“ So Bundesfinanzminister Dr. Schäuble im Zusammenhang mit der Zwangsabgabe in Zypern vor gut einem Jahr.

Ebenfalls vorstellbar und sogar wahrscheinlich ist, dass für die Berechnung einer derartigen Zwangsabgabe auf Bankguthaben ein rückwirkender Stichtag festgesetzt werden könnte. Sieht man sich die Winkelzüge an, mit denen Europas Bevölkerung heute hinters Licht geführt wird, scheint allzu viel Vertrauen in Zusagen aus Politikermund überdenkenswert. Hohe Bestände auf Konten oder Sparbüchern sollten anderweitig deponiert werden. Sehen Sie sich einfach noch einmal die Charts zu Griechenland an. Nichts ist im Lot, die Lage hat sich nicht verbessert, sondern weiter zugespitzt. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen.

Wertpapiere galten bei ähnlichen historischen Verwerfungen zumeist als unantastbares „Sondervermögen“. So gesehen, sollte man sich heute der Börse eher zu- als von ihr abwenden. Zumal es ja auch für Wetten auf fallende Kurse einen ähnlich üppig gedeckten Tisch gibt wie für die Bullen.

Ihnen allen viel Erfolg an der Börse!

Axel Retz

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

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