By 30. Oktober 2013 Read More →

Korrektur oder Jahresendrally – 3,8 Bio. Dollar als Kaufargument

In diesem Jahr zeigten die Aktienmärkte bereits eine fulminante Rally. Ein Ende ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Die Aufwärtsdynamik könnte noch einmal deutlich zulegen, bevor der große Knall kommt.

Auch wenn man sich als Anleger mit der Technischen Analyse eher wenig beschäftigt, so dürfte doch jedem aktiven Börsianer inzwischen aufgefallen sein, dass eine Atempause überfällig ist. Am 9. Oktober notierte der DAX noch bei 8500, rund zwei Wochen später werden 9000 aufgerufen. Diese Entwicklung isoliert betrachtet ist schon respektabel. Umso beachtlicher, wenn man berücksichtigt, dass der DAX in diesem Jahr bereits um knapp 18 Prozent zulegte.

Zuletzt hatte ich mehrfach auf die überhitzte Situation hingewiesen sowie auch auf Extremwerte am inneren Markt. Vor allem in den vergangenen Tagen hat sich das charttechnische Bild bei vielen Einzelwerten deutlich verbessert, besonders auf Basis Gleitender Durchschnitte. Zur Monatsmitte notierten lediglich 18 Prozent der DAX-Aktien über ihrer 50-Tage-Linie, inzwischen sind es 90 Prozent. Einen ähnlich kräftigen Anstieg in einer so kurzen Zeitspanne zeigte der Markt im September 2011. Vor gut zwei Jahren war es zuvor allerdings auch zu einer gewissen Marktbereinigung gekommen. Zwischen Mitte März bis Ende Mai 2011 war der DAX um 1200 Punkte / 17 Prozent abgesackt.

Quelle: indexindicators.com

Quelle: indexindicators.com

Eine vergleichbare gesunde Korrektur blieb im Börsenjahr 2013 bisher aus. Zwischen Mai / Juni gab der DAX um knapp zehn Prozent nach, im Anschluss drehte der Index wieder stramm aufwärts. Selbst als die USA vor wenigen Wochen nur ganz knapp eine drohende Zahlungsunfähigkeit abwendeten, dominierte das Prinzip Hoffnung. Jeder noch so kleine Rücksetzer wird sofort zum Einstieg genutzt, ganz nach der Überzeugung, dass es eigentlich keine größere Korrektur geben kann.

Deflation, nicht Inflation

Wesentlicher Faktor, und hier wird es nun etwas psychologischer, ist die Notenbankpolitik. Inzwischen kann sich jeder Marktakteur sicher sein, dass die Fed weiterhin auf dem Gaspedal bleiben wird und vorerst kein Ende der sehr expansiven Geldpolitik zu erwarten ist. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist alles andere als überzeugend, wie die schwachen September-Zahlen bereits zeigten. Kurz- bis mittelfristig wird sich daran kaum etwas ändern, denn wegen des drohenden Haushaltsstreits im Januar / Februar dürfte es, anders als früher, nicht zu Nachholeffekten auf dem Jobmarkt kommen. Kopfzerbrechen wird den Notenbankern aber auch die Entwicklung der Teuerungsrate machen. Analysten rechnen für September mit einer Inflation von 1,2 Prozent, dies wäre ein Anstieg von 0,2 Prozent gegenüber dem Vormonatswert. Auch hier ist die Tendenz abwärts gerichtet, wobei bereits wegen der fallenden Rohstoffpreise im Oktober die Marke von ein Prozent erreicht sein könnte. Langfristig verfolgt die Fed eigentlich ein Inflationsziel von zwei Prozent. Doch dieses Niveau gerät allmählich aus dem Blickwinkel. Stattdessen dürften Sorgen vor einer deflationären Entwicklung langsam die Oberhand gewinnen. Kaum ein Experte erwartet auf der Fed-Zinssitzung einer Reduzierung der monatlichen Anleihekäufe um zehn oder 15 Mrd. Dollar.

Quelle: markt-daten.de

Quelle: markt-daten.de

Was bleibt als Ausweg? Noch mehr billiges Zentralbankgeld? Bereits jetzt läuft die Notenbankpresse Tag und Nacht. Vor wenigen Tagen kletterten die Total Assets der US-Zentralbanken erstmals über 3,8 Bio. Dollar. Gegenüber der Vorwoche weitete sich die Bilanz um rund 55 Mrd. Dollar aus, zur Vorjahreswoche um knapp 970 Mrd. Dollar. Im Jahresvergleich liegt die Wachstumsrate derzeit bei 35 Prozent und damit deutlich über dem Niveau von Mitte / Ende 2011. Das US-Bankensystem ersäuft in Liquidität, ein selbsttragender Aufschwung in der Realwirtschaft ist hingegen nicht in Sicht. Dafür läuft die liquiditätsgetriebene Rally an den Aktienmärkten. Sollte die Tendenz am Arbeitsmarkt und bei der Teuerungsrate weiter abwärts zeigen, würde ich mich nicht wundern, wenn wir sogar bald über eine Ausweitung der expansiven Geldpolitik reden. An die langfristigen Folgen möchte ich nicht denken.

Ausbruch mit Bumerangeffekt

Schauen wir uns die Realität von einer anderen Seite an. Der S&P 500 markierte in diesem Jahr eine fast schon bilderbuchmäßige Serie von steigenden Hoch- und Tiefpunkten. Seit Mai sind die Schwankungen ein wenig größer geworden. Im Idealfall verkaufte man an der oberen Begrenzung des seit 2009 bestehenden Trendkanals (roter Kreis) und stieg an der 100-Tage-Linie wieder ein (grüner Kreis). Eine perfekte Strategie in den vergangenen Monaten. Nun scheint dieses Marktverhalten vor einer Veränderung zu stehen. Statt einer Korrektur, die inzwischen bereits überfällig ist, strebt der Leitindex weiter aufwärts.  Zu Wochenbeginn erreichte der S&P ein frisches Rekordhoch und schaute am Dienstag bereits über die seit 2009 bestehende obere Aufwärtstrendlinie. Bisher spiegelte die Gerade das durchschnittliche Anstiegstempo der vergangenen Jahre wider. Kommt es jetzt zu einem nachhaltigen Ausbruch, dürfte dies auch der Startschuss für eine Jahresendrally sein. Statistisch gesehen haben die Optimisten gute Karten. Auf einen freundlichen Januar bis September-Zeitraum zeigte der S&P 500 in 82 Prozent der Fälle auch einen guten Schlussspurt. Die Trefferquote für weitere Kursgewinne im Dezember liegt bei 79 Prozent. Auch die zu erwartende Durchschnittsperformance von 4,3 Prozent für das letzte Quartal sowie 2,2 Prozent für den Dezember wecken Erwartungen und liegen über der durchschnittlichen Wertentwicklung bezogen auf die gesamten Daten seit 1946, zeigt eine Analyse der HSBC.

Mittel- bis längerfristig ist der Ausbruch aus dem Trendkanal aber kritisch zu sehen. Denn so ganz allmählich bekommt die Rally den Charakter einer Übertreibung auf der Oberseite. Vor allem wenn in den kommenden Wochen die Aufwärtsdynamik noch einmal zulegen sollte, wird es unweigerlich zu einer ebenso deutlichen Korrektur kommen. Je stärker der Markt nach oben läuft, desto dynamischer erfolgt für gewöhnlich der Rückschlag. Beides eröffnet Tradern sehr gute Chancen, denn die Volatilität dürfte kräftig steigen. Allerdings dürften viele Anleger in der euphorischen Annahme eines grenzenlos steigenden Aktienmarktes auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn es abwärts geht. Ziehen Sie daher Stoppkurse eng nach und legen mehrere Verkaufsaufträge in den Markt.

Tradesignal Online. Tradesignal® ist eine eingetragene Marke der Tradesignal GmbH. Nicht autorisierte Nutzung oder Missbrauch ist ausdrücklich verboten.

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Wie weit die sich abzeichnende Übertreibungsphase gehen wird, lässt sich nicht vorhersagen. Natürlich kann der S&P auf 2000 und der DAX noch auf 10.000 in diesem Jahr steigen, warum nicht?  Zumindest solange die Notenbanken mitspielen bleibt die Tendenz aufwärts gerichtet.

Zukunft wird ignoriert

Früher bestimmten Fundamentaldaten das Auf und Ab an der Börse, heute haben diese Rolle die Notenbanken übernommen. Zuletzt stieg der Markt, wenn Konjunkturdaten enttäuschten. Eine sehr zweifelhafte Reaktion, aber es macht keinen Sinn, sich gegen den Markt zu stemmen. Dazu passt auch eine vorläufige Bilanz der laufenden US-Berichtssaison. Rund 62 Prozent der US-Unternehmen haben die  Gewinnerwartungen übertroffen. Aktuell wäre dies der beste Wert seit dem vierten Quartal 2010. Euphorie ist aber fehl am Platz. Wie vor fast jeder Berichtssaison in den vergangenen Jahren wurden auch jetzt wieder die Gewinnerwartungen in den vergangenen Monaten kräftig nach unten angepasst. Der Blick, gerade an der Börse, ist ohnehin in die Zukunft gerichtet. Und hier sieht es weiterhin schlecht aus. Deutlich mehr Unternehmen blicken erneut skeptischer auf die kommenden Monate. Sollte sich daran nichts mehr ändern, wäre die aktuelle Berichtssaison die neunte nacheinander, in denen mehr Prognosen nach unten als noch oben revidiert wurden.  Zuletzt schauten die Unternehmen im zweiten Quartal 2011 zuversichtlich in die Zukunft. So ganz passt dies nicht zu den Rekorden am Aktienmarkt.

Von daher wäre es im Sinne eines gesunden Bullenmarktes sicherlich besser, wenn der S&P nicht aus dem Kanal ausbricht und mindestens bis auf die 100-Tage-Linie zurückfällt. Selbst eine Korrektur an die 2000 / 2007er-Hochs um 1560 wäre noch kein Beinbruch, die untere Aufwärtstrendlinie würde sogar einen Rückschlag von 20 Prozent zulassen, ohne dass der langfristige Trend kippt. Aber dies bleibt vorerst frommes Wunschdenken der Bären.

About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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