Vorentscheidung fällt heute früher als erwartet

Auch in Deutschland nimmt die Berichtssaison nun an Fahrt auf. Entscheidend bleiben aber andere Faktoren. Besonders heute und am Freitag könnten die Weichen für den kurzfristigen Zeitraum bestimmt werden. Dazu gesellt sich eine äußerst angespannte charttechnische Lage. 

 

Runter, rauf und wieder runter – der DAX zeigt seit einigen Tagen eine erhöhte Volatilität. Nach dem schwachen Wochenauftakt wurden die Verluste am Dienstag schnell aufgeholt. Flankiert von einer guten Stimmung bei den US-Verbrauchern drehte der Markt kurzzeitig auf und erreichte fast die 9700er-Marke. Eine beeindruckende Entwicklung, denn in den Krisengebieten Ukraine und Naher Osten sowie nun auch Libyen zeichnet sich keine Entspannung ab. Zudem droht Argentinien in wenigen Stunden die Pleite.

Die entscheidende Frage lautet eher, wer gestern eigentlich gekauft hat oder warum gekauft wurde. Angesichts der unverändert angespannten Ausgangslage dürften wohl kaum strategische Investoren eingestiegen sein, die aktuell eine gute Gelegenheit wittern. Vielmehr scheinen nach dem Rücksetzer am Montag unter die 9600 einige Akteure auf fallende Kurse gesetzt zu haben. Als der DAX dann am Dienstag in Richtung 9700 kletterte, mussten die Short-Positionen gedeckt werden, was die Aufwärtsbewegung verstärkte.

Zudem dürften sich größere Adressen aktuell mit neuen Engagements eher zurückhalten. Heute werden die Ergebnisse der US-Notenbanksitzung veröffentlicht, am Freitag steht der US-Arbeitsmarktbericht auf der Agenda. Beide Termine haben grundsätzlich das Potenzial, die Richtung für die kommende Woche oder sogar auch kurz- bis mittelfristig vorzugeben. Bereits am frühen Nachmittag werden die ADP-Zahlen eine erste Indikation über den Beschäftigungstrend am US-Jobmarkt geben. Besonders der Arbeitsmarkt wird von der Fed genau verfolgt, wie Notenbank-Chefin Janet Yellen erst kürzlich in ihrer Anhörung vor dem US-Kongress durchblicken ließ. Sollte die Erholung die Prognosen der Fed übertreffen, könnten die Zinsen früher und schneller angehoben werden. Hingegen droht die Fed-Sitzung am Abend eher unspektakulär auszufallen. Das Anleihekaufprogramm wird um 10 Mrd. Dollar pro Monat verringert, der Begleittext dürfte unverändert bleiben. Erst wenn die Notenbank ihr Anleihekäufe im Herbst ganz eingestellt hat, rückt die Kommunikation in Bezug auf die Zinswende in den Fokus. Zuvor dürfte Yellen die Märkte mit verbalen Hinweisen auf eine Zinsanhebung vorbereiten, um die Schwankungen möglichst gering zu halten.

DAX: Stunden- und Tagesanalyse

Die Vorgaben für den heutigen Auftakt fallen eher negativ aus, besonders aus den USA kommen schwache Signale. Im späten Handel drehten die US-Indizes abwärts, der Dow blieb klar unter der 17.000er-Schwelle. An der rund 3200 Werte umfassenden NYSE legten 38 Prozent der Aktien zu, für 58 Prozent endete der Tag im Minus. Das Abwärtsvolumen lag bei 63 Prozent, nach oben tendierten 37 Prozent der Umsätze. Rund 46 Prozent der Aktien im S&P 500 notieren noch über ihrer 21-Tage-Linie. Erfahrungsgemäß setzt eine Umkehrbewegung ein, wenn nur noch fünf bis 20 Prozent der Titel ihren kurzfristigen Durchschnitt behaupten.

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Vorbörslich steht der DAX bei 9640, bereits heute könnten das jüngste Tief vom Montag wieder auf den Prüfstand kommen. Keine leichte Aufgabe für die Bären, denn mit dem langfristigen Aufwärtstrend bei rund 9600, einer horizontalen Unterstützung und dem 38,2 Prozent Fibonacci-Niveau scheint der DAX derzeit gut abgesichert. Bei 9500 verlaufen zudem die untere Begrenzung des kurzfristigen Abwärtskanals sowie die 200-Tage-Linie. Alle genannten Chartmarken fallen auf einen relativ kleinen Kursbereich und dürften mittle- bis langfristig ausgerichtete Käuferschichten anlocken. Es wäre daher recht überraschend, wenn der Markt ohne Gegenwehr unter 9450 fallen sollte.

Wahrscheinlicher ist eine Stabilisierung auf dem aktuellen Niveau mit Chance auf Erholung. Wer mutig ist kann die Gelegenheit nutzen und eröffnet eine erste Long-Position, die relativ eng unter dem langfristigen Durchschnitt abgesichert wird. Richtig ist aber auch, dass der Weg Richtung Norden sehr steinig ist. Erst wenn der DAX wieder über seiner 21-Tage-Linie bei derzeit rund 9775 sowie dem Hoch der letzten Zwischenerholung bei 9800 notiert, bessern sich die Aussichten. Wer vorsichtiger ist, wartet einen Anstieg über 9860 ab. Größere Bewegungen sind besonders bei Einzelwerten zu erwarten, die ihre Bilanzen präsentieren. Die Zahlen von Infineon werden zunächst gut aufgenommen, während Bayer und HeidelbergCement unter Druck stehen.

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Wochenanalyse:

MACD mit gefährlicher Divergenz

Mittel- bis langfristig betrachtet ist die Rally trotz der seit gut sieben Monaten laufenden Konsolidierung weiterhin als intakt zu bezeichnen. Richtungsweisend ist ein seit Sommer 2012 bestehender Aufwärtskanal, dessen Extremzonen mehrfach bestätigt wurden und somit über eine gewisse Relevanz verfügen. Während zum Jahreswechsel verstärkt die Oberseite im Fokus stand, steht seit März die untere Begrenzung der Range im Mittelpunkt. Bisher nutzten die Käufer jeden Rücksetzer zum Einstieg, ein Verhalten, das wir auch im vergangenen Jahr mehrfach gesehen haben. Lediglich die Tatsache, dass der DAX bereits länger nicht mehr die obere Trendlinie angelaufen hat, kann als Signal für eine abflauende Nachfragekraft ausgelegt werden.

Aus technischer Sicht stellt die 10.000er-Schwelle nur eine unbedeutende Kursmarke dar. Inzwischen scheint der psychologische Effekt aber den DAX zumindest zu einer Atempause zu zwingen. Potenzial auf der Oberseite wäre durchaus noch vorhanden, mittelfristig lässt der Kanal Platz bis 10.900.

Auf der Südseite ist der DAX gut abgesichert. Neben der erwähnten, zuletzt mehrfach bestätigten Aufwärtstrendlinie bei derzeit rund 9560 sorgen auch die 200-Tage-Linie bei 9470 und die breite horizontale Unterstützungszone um 8900 / 9000 für Sicherheit. Eine größere Umkehrformation und somit Schwächesignal in der mittel- bis langfristigen Zeitebene wird erst mit einem Wochenschluss unter 8900 aktiviert.

Etwas kritisch sind die Signale der Markttechnik einzuordnen. Der DSS Bressert hat seine obere Extremzone verlassen und läuft auf den unteren Bereich zu. Besonders aber der etwas trägere und langfristig ausgerichtete MACD auf Wochenbasis bereitet Sorgen. Während der DAX vor wenigen Wochen ein im Vergleich zum Jahresauftakt höheres Hoch ausbildete, wurde diese Bewegung durch den MACD nicht mehr bestätigt. Diese negative Divergenz muss genau verfolgt werden und könnte ein Hinweis auf eine größere Korrekturbewegung sein.

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Monatsanalyse:

Zwei Szenarien für die Zukunft

Im abgebildeten Monatschart seit 1960 wird vor allem die Bedeutung des Kursbereichs um 8000 / 9000 deutlich. Nach dem Ausbruch aus einer rund 20 Jahre andauernden Seitwärtsbewegung im Jahr 1983 zeigte der DAX bis zur Jahrtausendwende eine ausgeprägte Rally-Bewegung. Mit dem Platzen der Spekulationsblase wurde diese Aufwärtsbewegung in den vergangenen 13 Jahren konsolidiert. In dieser Zeit bildete der Deutsche Aktienindex deutlich steigende Bewegungstiefpunkte aus, was auf einen allmählich steigenden Kaufdruck deutet. Der Sprung über die Hochpunkte aus dem Jahr 2000 und 2007 bei 8200 war somit nur eine Frage der Zeit. Der DAX löste ein sehr bullish aufsteigendes Dreieck nach oben hin auf, aus dem theoretisch Notierungen deutlich jenseits der 10.000er-Marke abgeleitet werden können.

Nach dem nun erfolgten Ausbruch sind zwei grundsätzliche Szenarien denkbar. Aufgrund der Bedeutung der Zone um 8200 wäre eine Rückkehrbewegung und somit ein Retest des Ausbruchsniveau nicht überraschend. Ein möglicher Wendepunkt könnte an der psychologisch wichtigen Schwelle von 10.000 liegen. Ausgehend von einem kurzen Test der fünfstelligen Kursmarke wäre mit einer Korrektur bis in den Bereich von 8200 / 8500 zu rechnen, von dem aus dann eine nachhaltige Aufwärtsbewegung erfolgen würde. Zugleich eröffnet sich Anlegern, die den Einstieg bisher verpassten, auf langfristige Sicht noch einmal eine gute Einstiegsgelegenheit.

In einem zweiten Szenario bleibt ein Test der Zone um 8200 von oben aus. Stattdessen läuft der Markt nach einer recht wahrscheinlichen Konsolidierung bei rund 10.000 weiter aufwärts. Neue Widerstände müssten sich erst noch herausbilden. Unwahrscheinlicher erscheint hingegen ein Rücksetzer unter das Ausbruchsniveau von 8200. Eine ähnliche Situation liegt auch im amerikanischen Leitindex S&P 500 vor.

Auf Basis der Indikatoren wäre noch ein wenig Luft nach oben vorhanden. Beachten Sie aber auch hier den MACD, der in den vergangenen 13 Jahren eigentlich recht zuverlässig die Wendepunkte beim DAX antizipierte. Allmählich erreicht der Signalgeber wieder die Niveaus aus den Jahren 2000 und 2007 (rote Linie).

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About the Author:

Franz-Georg Wenner ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare und referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. Zusätzlich betreute er für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily. Bereits seine Diplomarbeit im Fachbereich BWL der Uni Düsseldorf beschäftigte sich mit der Intermarket-Analyse.

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