By 9. Januar 2014 Read More →

2014 – Start zum Hürdenlauf

Zum Jahresstart dominierten erst einmal kleine Gewinnmitnahmen, was die Kommentatoren natürlich als „gesund“ bezeichneten. Blickt man genauer hin, bewegen sich die Bullen allerdings auf denkbar dünnem Eis. Und die kommenden Wochen könnten durchaus den Dreh nach unten bringen!

 

In einem kleinen Büchlein las ich kürzlich von einem kleinen Experiment, das Verhaltensforscher durchgeführt haben. „Fünf Affen leben in einem Versuchsraum. Eines Morgens steht dort eine Leiter und oben auf liegen ein paar leckere Bananen. Sobald ein Affe auf die Leiter klettert, um die Bananen zu holen, werden die restlichen vier Affen von den Verhaltensforschern mit einem Gartenschlauch übel nassgespritzt. Irgendwann haben die Affen genug davon und sobald ein Affe jetzt versucht, auf die Leiter zu klettern, um die wohlriechenden Bananen zu holen, wird er heruntergerissen und verprügelt.

Im zweiten Teil des Versuchs wird ein beliebiger Affe ausgetauscht. Der neue Affe riecht sofort die Bananen und will natürlich auf die Leister klettern. Doch was passiert? Er wird von den anderen heruntergerissen und verprügelt, weil diese befürchten, nassgespritzt zu werden.

Jetzt wird ein weiterer Affe ausgetauscht. Der neue Affe will natürlich auch auf die Leiter. Schnell wird er von den anderen heruntergezogen und sogar der erste ausgetauschte Affe prügelt nun fleißig mit. Übrigens wird jetzt gar kein Wasser mehr gespritzt, da sich das Verhalten verankert hat.

Nach und nach werden alle Affen ausgetauscht. Kein Affe befindet sich mehr im Raum, der je nassgespritzt wurde und jeder neue Affe wird verprügelt, sobald er sich eine Banane holen will.“ Werbung, Medien und Politik haben für viele von uns die Funktion des Wasserschlauchs übernommen. ESM, EFSF, IWF, Weltbank, EZB und irgendwelche Kommissionen, alles Institutionen, die in keiner einzigen Verfassung der seit dem 1. Januar nun 18 Euro-Staaten auch nur erwähnt werden, dominieren die Finanz und Wirtschaftspolitik, nicht der Wähler. Und wehe, wehe, es regt sich Widerstand. Wie etwa im Papier der CSU zur kommenden Klausurtagung in Wildbad Kreuth vom 7. bis 9. Januar.

Dort findet sich eine Passage, die eine „Entzugstherapie für [EU-]Kommissare im Regulierungsrausch“ und eine Rückverlagerung von Kompetenzen auf die nationalen Parlamente fordert. Die kalte Dusche folgte auf dem Fuße: dpa und AFB konstatierten, dass sich die CSU „immer weiter rechts positioniert“. Was daran „rechts“ sein soll, wenn irgendwo doch noch ein kleines Banänchen der Vernunft knospt, ist schleierhaft.

Griechenland, es war zu erwarten, bedarf so gut wie sicher eines weiteren „Rettungspakets“. Nun ist mit Griechenland ja nicht etwa die griechische Wirtschaft geschweige denn die dortige Bevölkerung gemeint. „Not leidende Banken“ – ein wunderschönes Bonmot, an das ich jedes Mal denken muss, wenn ich im Frankfurter Westend unterwegs bin – und große Anleger brauchen weiteres Kapital. Und wer dagegen etwas hat, bekommt es mit dem Wasserschlauch zu tun. Zugegebenermaßen ist das etwas geschichtsblind, aber Politiker sind nun einmal nicht in allen Sparten gleich gut zu Fuße, auch wenn die offenkundig irgendeinem Zufallsprinzip folgende Vergabe von Ministerposten etwas anderes erwarten ließe. Seit seiner Loslösung vom Osmanischen Reich im Jahre 1822 durch die Unabhängigkeitserklärung von Epidauros war Griechenland bis heute ziemlich genau die Hälfte der Zeit über zahlungsunfähig. Kein Grund also zur Aufregung. Zumindest insofern nicht.

Keinen Grund zur Aufregung stellt für mich auch der Fall Pofalla dar. Man sollte die Dinge nicht immer negativ sehen. Falls der ehemalige Kanzleramtsminister und damit oberste Koordinator der Geheimdienste, der erst im September 2011 erneut durch die unsägliche Rüpelei gegenüber seinem CDU-Parteifreund Wolfgang Bosbach übelst aufgefallen war und sich dann in der Handhabung der NSA-Affäre in geradezu selbstverstümmelnder Art disqualifiziert hatte, nun tatsächlich 1,8 Millionen Euro p. a. bei der Deutschen Bahn „verdienen“ sollte, entfallen auf mich rein rechnerisch pro Jahr davon 1,83 Cent. Davon zu reden, ist der Sache nicht angemessen. Im Gegensatz beispielsweise zur fünfstelligen Summe, mit der – ebenfalls rein rechnerisch – jeder Bundesbürger für den Euro haftet, worüber sich aber viel weniger Menschen echauffieren. Weil es ja den verinnerlichten Wasserschlauch gibt …

Vielleicht sollte sich die Empörungsgemeinschaft im Fall Pofallas einmal einen Augenblick lang in den wahrlich elektrisierenden Gedanken versenken, wo Deutschland heute stehen könnte, wenn es in seiner Geschichte immer so einfach gewesen wäre, fehlbesetzte Ministerposten oder mehr immer preiswert geräumt bekommen zu haben. Schon allein, weil es dann unsere Haftung für den Euro vermutlich gar nicht gäbe. Und anderes auch nicht. Eines aber muss angefügt werden:

Nach eigenem Bekunden hat Herr Pofalla seinen Posten als Kanzleramtsminister an den Nagel gehängt, um sich fortan mehr dem Familiären widmen zu können. Vorausgesetzt, dass er da die Wahrheit gesagt hat, lässt das erwarten, dass er künftig den Aufgaben seiner Doppelbelastung als Abgeordneter im Bundestag einerseits und als mit 1,8 Mio. Euro vergüteter Bahnvorstand andererseits unmöglich gerecht werden kann.

Im Rückblick auf seine Tätigkeit bei der Aufarbeitung der NSA-Affäre als Kanzleramtsminister schwingt für  mich bei dieser Einschätzung viel Tröstliches mit. Die Zahl der Möglichkeiten, durch hochvergütetes Nichtstun unendlich viel mehr Fehler zu vermeiden als durch weitaus schlechter bezahltes Tun, war immer schon ein bestechend überzeugendes Argument.

Für meinen persönlichen Beitrag von 1,83 Cent pro Jahr wünsche ich Herrn Pofalla einen betulichen Müßiggang, in dem er die Zeit finden möge, sich mit den Usancen einer parlamentarischen Demokratie auseinanderzusetzen. Aussagen wie „Ich kann Deine Fresse nicht mehr sehen.“, gehören nicht dazu. Aber vielleicht gehört es sich auch nicht, daran zu erinnern.

Wall Street: Megaphon weiter intakt

Hier ist er, der Grund, warum ich Ihnen heute schon einen neuen Newsletter schreibe statt wie angekündigt erst in der kommenden Woche: Einfach zu viele Leser hatten angefragt, wie es denn nun zum Monats- und Jahres-Ultimo um das charttechnische „Megaphon“ des Dow Jones bestellt sei.

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Im Chart sehen Sie es. Der weltweit meistbeachtete Aktienindex beendete den Dezember und damit das gesamte Jahr 2013 punktgenau auf der oberen Begrenzungslinie der Megaphon-Formation. D. h.:

Der Index startete, wies heute so schön heißt, „ergebnis-offen“ in das neue Jahr. Die ersten Börsensitzungen des Jahres, so berichteten die Medien, waren weltweit umsatzschwach und damit für die Prognose nicht verwertbar. Letzteres stimmt, ersteres nicht. Denn im DAX beispielsweise lagen die Umsätze gleich am ersten (verlustreichen) Börsentag über ihrem 200 Tage-GD. Egal: Einer plappert es vor und die anderen plappern es nach.

Sehen wir uns nun an, was sich bei den beiden Ihnen bekannten Indikatoren zur Wall Street getan hat, bei der Anzahl negativ gestimmter Börsendienste und bei der Nachfrage nach Krediten zum Aktienkauf.

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Erstere haben sich seit der letzten Sitzung vor Weihnachten nicht verändert, d. h. die Quote pessimistisch eingestellter Börsenbriefe verharrt unverändert auf einem 26 Jahrestief – und das ist und bleibt ein deutlicher Hinweis, in welch gefährlicher Überhitzung sich die Börse aus psychologischer Sicht befindet.

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Was die Timingfrage betrifft, eignet sich die Nachfrage nach Börsenkrediten als Indikator deutlich besser. Aber auch hier bleibt die Wall Street zum Jahresauftakt in ihrem nicht ungefährlichen Schwebezustand. Denn auf dem vor Weihnachten erreichten Allzeithoch bewegt sich auch die Nachfrage nach Börsenkrediten seit zwei Wochen seitwärts. Zusammenfassend ließe sich festhalten, dass wir es mit so etwas wie einer Gratwanderung zu tun haben.

DAX: Bandenspiel

Nein, hier geht es nicht um Banken, sondern eher um Sportarten, bei denen man einen Ball über Bande spielt. Denn so in etwa kann man das Hin und Her eines Kurses innerhalb eines Trendkorridors beschreiben.

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Und konstruieren wir im DAX einmal die obere Parallele zur seit Oktober 2011 etablierten Aufwärtstrendlinie, relativiert sich der ganze Hype um die neuen Rekordmarken des DAX aus charttechnischem Blickwinkel auf schlichte Hausmannskost, die allerdings jetzt scharf gewürzt werden könnte. Denn wie Sie im Chart erkennen, ist der Deutsche Aktienindex zum Jahresausklang punktgenau an der oberen Begrenzung seines Aufwärtstrendkorridors angestoßen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es von hier aus wieder Richtung Süden gehen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Mein für den Kapitalschutz-Brief entwickelter Trendindikator befindet sich zwar noch im grünen Bereich, der RSI hingegen hat ein geradezu idealtypisches Verkaufssignal gegeben.

Auf Tagesbasis zeigt sich denn auch, dass die aktuelle Ausgangslage des DAX alles andere als Hausmannskost ist. Auch hier erkennen Sie einen lupenreinen Aufwärtstrendkanal, dessen obere Begrenzung das deutsche Aktienbarometer gerade getestet hat. Aber:

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Anders als vielleicht zu erwarten, bestätigen die markttechnischen Indikatoren wie Money-Flow- Indikator und Momentum das neue Allzeithoch ganz und gar nicht. Vielmehr rangieren beide in unmittelbarer Nähe ihrer Verkaufsschwellen, die beim MFI bei 50 und beim Momentum bei 100 liegen. Die Sorglosigkeit, mit der die Anleger bis jetzt damit umgehen, ist der an Hochpunkten üblicherweise zu beobachtenden Euphorie zuzuschreiben – was die Lage um so brisanter macht, da „im Falle des Falles“ die Mehrheit der Akteure schlichtweg auf dem falschen Fuß erwischt wird.

Was ist zu tun? Nicht viel: Alle bestehenden Long-Positionen sollten durch enge Stopps abgesichert werden. So lässt es sich in aller Ruhe abwarten, ob die Börse dem Ruf des Monats Januar als gutem Monat folgt oder ob sich die technischen Indikatoren jetzt tatsächlich signifikant auf der Verkaufsseite etablieren. Im zweiten Fall ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir deutlich mehr als eine „gesunde Marktbereinigung“ bekommen werden. Am Freitag folgen die Dezember-Zahlen zum US-Arbeitsmarkt. Aufpassen!

Gold: Weiter auf der Kippe

Natürlich wäre es schön, wenn wir jetzt zumindest bei den Edelmetallen schon einmal ein neues Signal hätten. Aber erzwingen lässt sich am Markt nun einmal nichts. Für‘s Erste ist der Goldpreis noch einmal davon gekommen, der Rückfall unter das Sommertief konnte abgewehrt werden.

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Entschieden ist damit allerdings noch gar nichts. Hinweise auf einen weiteren Rückzug der Federal Reserve aus der ultralockeren Geldpolitik und/oder Schwächezeichen der Weltkonjunktur könnten den Unzenpreis unter das Tief von 2013 drücken. Was dann so gut wie sicher einen neuen, massiven Abverkauf einläuten würde.

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Dass diese Option immer noch auf dem Tisch liegt, zeigt sich auch im Chart der bullish eingestellten Gold-Analysten. Deren Zahl hat sich zwar wieder über die seit Ende 1997 gültige Aufwärtstrendgerade befestigt, aber eben nur denkbar knapp …

Viel Erfolg und beste Grüße!

Axel Retz

About the Author:

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal private-profits. Konservative Anleger finden dort seit Jahren bewährte, treffsichere Strategien zur Outperformance der Märkte in Hausse- und Baissephasen. Aggressivere Trader finden alle notwendigen Tools, um mit kleinem Einsatz kurzfristige Gewinne zu erzielen. „Phasen, in denen sich keine Gewinne erzielen lassen, das sind die Seitwärtsmärkte. Aber sie sind nichts anderes als Unterbrechungen im Trendverhalten. Technische oder fundamentale Analyse? Für mich macht es die Mischung!“

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